Summary (Malgorzata Schonder: Sense of Coherence and Religious Beliefs of Polish and German Students): This empirical study contributes to the question of whether there is a difference in the influence of religious beliefs and affiliation on the sense of coherence between young people from a secular country (such as Germany) and a Catholic country (such as Poland). To empirically capture the sense of coherence a surevy on life orientation was used. Under the concept of „Religeous Beliefs“ it examinded religious convictions, organized and non-organized religious activities. The random sample included 2266 students from Germany and Poland. The participants had Protestant, Catholic, and Buddhist religious affiliations, as well as no religious affiliation. At the individual level, where sense of cohernece was only examined in relation to indicators of religious beliefs, having a religious conviction shows positive effects on students’ sense of coherence. However, its relevance is country-specific. Going to church and being affiliated with a religion has a stronger influence on Polish students’ sense of coherence than on German students.
Keywords: Religious affiliation, sense of coherence, health, religious and cultural traditions, non- denominational
Резюме (Мальгорцата Шондер: Чувство когерентности и религиозность у польских и немецких студентов): Данное исследование вносит эмпирический вклад в вопрос о том, является влияние религиозности и религиозной принадлежности на чувство когерентности молодых людей в светской стране (на примере Германии) и в католической стране (на примере Польши)? Для эмпирического учета чувства когерентности была использована анкета относительно жизненной ориентации. Под понятием «религиозность» были исследованы религиозные убеждения, организованная и неорганизованная религиозная активность.Выборочный контроль охватил 2266 студентов из Германии и Польши. Опрошенные лица имели как евангельскую, католическую и буддистскую религиозную принадлежность, так и не принадлежали ни к какому вероисповеданию. На индивидуальном уровне, где чувство когерентности исследовалось только в отношении индикаторов религиозности, религиозность раскрывает свое позитивное влияние на чувство когерентности студентов. Однако ее релевантность зависит от страны. Посещение богослужения и религиозная принадлежность влияют на чувство когерентности польских студентов сильнее, чем на немецких студентов.
Ключевые слова: религиозная принадлежность, чувство когерентности, здоровье, религиозные и культурные традиции, непринадлежность ни к какому вероисповеданию
Zusammenfassung: Diese Untersuchung leistet einen empirischen Beitrag zu der Frage, ob der Einfluss von Religiosität und Religionszugehörigkeit auf das Kohärenzgefühl junger Menschen zwischen einem säkularen Land (wie Deutschland) und einem katholischen Land (wie Polen) unterschiedlich ist? Zur empirischen Erfassung des Kohärenzgefühls wurde ein Fragebogen zur Lebensorientierung verwendet. Unter dem Begriff „Religiosität“ wurden religiöse Überzeugung, organisierte und nicht organisierte religiöse Aktivität untersucht. Die Stichprobe umfasste 2266 Studierende aus Deutschland und Polen. Die Befragten hatten sowohl evangelische, katholische und buddhistische Religionszugehörigkeitenals auch keine Konfession. Auf der individuellen Ebene, wo das Kohärenzgefühl nur in Bezug auf die Religiositätsindikatoren untersucht wurde, entfaltet Religiosität ihre positive Auswirkung auf das Kohärenzgefühl von Studierenden. Ihre Relevanz ist jedoch landesspezifisch. Gottesdienstbesuch und Religionszugehörigkeit beeinflussen das Kohärenzgefühl der polnischen Studierenden stärker, als dasjenige der deutschen Studierenden.
Schlüsselwörter: Religionszugehörigkeit, Kohärenzgefühl, Gesundheit, religiöse und kulturelle Traditionen, Konfessionslosigkeit
Bedeutung makrosoziokultureller Faktoren für die Gesundheit
In den 80er Jahren widmeten sich die Gesundheitsforscher generalisierten Widerstandsressourcen (GRRs) – Faktoren, die uns helfen, gesund zu werden und gesund zu bleiben. Damit wurde der Fokus nicht auf Krankheit, sondern auf Gesundheit gelegt. Gesundheit, die nicht mehr als das Gegenteil von Krankheit betrachtet wurde, sondern als ein Gesundheits-Krankheits-Kontinuum.
Der Medizinsoziologe Aaron Antonovsky ging davon aus, dass unsere Gesundheit nicht nur von der individuellen (bzw. inneren) Verarbeitung von schwierigen Lebenssituationen und vom sozialen Umfeld, in dem wir leben abhängt, sondern auch von den makrosoziokulturellen Faktoren wie Religion, Land und Kultur (Antonovsky, 1979).
Stressoren erzeugen einen Spannungszustand und generalisierte Widerstandsressourcen helfen uns, diesen Spannungszustand so zu managen, dass er sich nicht in Stress verwandelt und zu einer Krankheit führt. Menschen unterscheiden sich dahingehend, wie erfolgreich diese Auseinandersetzung mit Stressoren verläuft, und wie gut sie ihre Widerstandsressourcen in diesem Prozess nutzen können.
Antonovsky hat das Konstrukt des Kohärenzgefühls (SOC) geprägt, um eine Erklärung für die Frage zu finden: Warum gelingt diese Auseinandersetzung einigen Menschen besser als anderen? Was hält Menschen gesund? Er definierte das Konstrukt als „eine globale Orientierung“ (Antonovsky, 1979, S. 123). Es ist eine Grundüberzeugung, dass das Leben sinnvoll ist, und dass man es meistern kann, auch wenn es manchmal schwierig ist (Antonovsky, 1979; Franke, 1997).
Menschen mit starkem Kohärenzgefühl sollten Spannungszustände besser managen können, als Menschen mit schwach ausgeprägtem Kohärenzgefühl. Dadurch sollte auch die erste Gruppe mit starkem Kohärenzgefühl dazu tendieren, ihre eigene Gesundheit besser steuern zu können, als die zweite Gruppe. Diese Annahmen wurden auch in zahlreichen empirischen Befunden bestätigt. (Buddeberg-Fischer et al., 2001; Torsheim et al., 2001; Kuuppelomäki et al., 2003; Nielsen et al., 2007; Koushede et al., 2009; Moksnes et al., 2011).
Widerstandsressourcen (GRRs) sind für das Kohärenzgefühl von großer Bedeutung. Sie formen ständig unsere Lebenserfahrungen und schaffen dadurch die Voraussetzung, wichtige und kohärente Erfahrungen zu machen, die wiederum Entwicklung und Stärke des Kohärenzgefühls prägen. Das Kohärenzgefühl beeinflusst dann wieder die Lebenserfahrung. Je mehr generalisierte Widerstandsressourcen einer Person zur Verfügung stehen, desto stabiler bildet sich das Kohärenzgefühl aus. Widerstandsressourcen können entweder als Potenzial im Bewältigungsprozess, oder als Stressoren selbst auftreten. Gesellschaft und Kultur liefern uns Erwartungen, Werte, Handlungsmuster und Verhaltensweisen. Mit diesen Anforderungen müssen wir uns immer wieder auseinandersetzen.
Aktueller Stand der Forschung
Religion gehört zu den makrosoziokulturellen Widerstandsressourcen (Antonovsky, 1979, S. 117-118). Nichtsdestotrotz gibt es nur wenig empirische Befunde zur Verbindung von Kohärenzgefühl und Religion. Die Mehrheit dieser Studien deutet auf eine positive Verbindung zwischen beiden Variablen hin (Gibson, 2003; Delgado, 2007; Zarzycka & Rydz, 2014). Nur die Studie von Tagay u.a (2006) zeigte keine Korrelation zwischen Kohärenzgefühl und Religiosität.
Diese Forscher beschäftigten sich jedoch mit klinischen Stichproben und/oder älteren Menschen: Tagay – Psychosomatik Patienten, Gibson – Krebsüberlebenden im Alter 50+, Delgado – chronisch erkrankte Leute Menschen im Alter 60+, deshalb scheinen diese Studien nur begrenzt aussagefähig (Tagay et al., 2006; Gibson, 2003; Delgado, 2007).
Im Hinblick auf die Religiositätsindikatoren wurde die Religiosität nur mit einer Skala gemessen, die ihre verschiedenen Aspekte nicht differenziert. Gibson (2003) konzentrierte sich auf die Bedeutung allgemeiner Spiritualität im Leben (The Spiritual Perspective Scale). Delgado (2007) wendet sich einer transzendentalen Perspektive zu (The Spiritual Transcendence Scale).Tagay u.a (2006) haben subjektive Religiosität und Relevanz der Religion im privaten Leben untersucht. Dazu haben sie zwei Fragen gestellt: Wie religiös bist du? Wie wichtig ist Religion in deinem eigenen Leben? Bisher gibt es nur eine Studie, die sich mit diesem Forschungsproblem umfassender auseinandersetzt. Zarzycka und Rydz (2014) untersuchten den Zusammenhang zwischen fünf verschiedenen Aspekten von Religiosität und dem Kohärenzgefühl in drei unterschiedlichen Altersgruppen (von 18 bis 79 Jahre).
Es ist also deutlich zu sehen, dass der mehrdimensionale Charakter von Religiosität in verschiedenen Studien wenig berücksichtigt wurde. Außerdem wurde dem Thema Kohärenzgefühl und Religiosität bei jungen Menschen kaum Aufmerksamkeit geschenkt.
Aber nicht nur die Religion, sondern auch das Land gehören zu den makrosoziokulturellen Widerstandsressourcen, die das Konstrukt – das Kohärenzgefühl prägen. Eine kleine Gruppe von empirischen Befunden widmete sich dem Kohärenzgefühl im interkulturellen Kontext. Die untersuchten ethnischen Gruppen waren sehr verschiedenartig – Angloamerikaner und Ureinwohner Nordamerikas (Bowman, 1996), Kanadier mit europäischer Herkunft und Einwanderer aus Asien (Hood et al., 1996), Afroamerikaner und Amerikaner mit europäischen Herkunft (Gibson, 2003). Nichtsdestotrotz wurden keine signifikanten Unterschiede im Kohärenzgefühl festgestellt. Nur der Vergleich von arabischen und jüdischen Jugendlichen zeigte Abweichungen (Braun-Lewenshon & Sagy, 2011). Die Mehrheit dieser Studien untermauert Antonovskys Aussage über den universellen Charakter dieses Konstruktes. Anderseits behauptete der Forscher selbst, dass „die Widerstandsressourcen, die das Kohärenzgefühl fördern, (…) in allen menschlichen Gemeinschaften weit von der Gleichverteilung entfernt sind“, was das Kohärenzgefühl auch unterschiedlich beeinflussen kann (Antonovsky, 1979 [zit. nach: Franke, 1997, S. 94-95).
Das Beispiel von Deutschland und Polen verdeutlicht, wie groß diese soziokulturellen Differenzen besonders in Bezug auf Konfessionsverteilung, politischen Einfluss der Kirche und Einstellung zum Glauben sein können. Polen ist ein stark vom Katholizismus geprägtes Land. Hier leben 38 Mio Menschen, etwa halb so viel wie in Deutschland (80 Mio). Davon sind über 90% der Bevölkerung katholisch, ein sehr geringer Anteil ist protestantisch (0,2%), und noch viel weniger Menschen sind Buddhisten (0,04%). Nur 3% bezeichnet sich als konfessionslos (GUS, 2015). Die Verbindung zwischen Kirche und Staat ist eng. In Deutschland ist dagegen die Zahl der Katholiken (29%) und Protestanten (27%) fast gleich. Unter vielen anderen Religionen hat auch der Buddhismus seine aktiven Anhänger deutscher Herkunft, ca. 0,12%, und ca. 0,15% Buddhisten ausländischer Staatsangehörigkeit (Gut, 2002, S. 61) . Ein gutes Drittel aller Deutschen (36%) gehört keiner Konfession an (EKD, 2014; REMID, 2014). Staat und Kirche sind voneinander getrennt. Etwa 47-50% polnischer Katholiken gehen regelmäßig zum Sonntagsgottesdienst (Grycz, 2001). In Deutschland sind das 10% Katholiken und nur 3% Protestanten (DBK, 2015; EKD, 2014). Obwohl in beiden Ländern junge Menschen diejenigen sind, die am wenigsten in die Kirche integriert sind, zeigt sich das Problem deutlicher in Deutschland als in Polen. Mehr als ein Drittel der polnischen Befragten im Alter von 16 bis 34 Jahre besucht die Kirche einmal in der Woche. Knapp 70% der Menschen aus dieser Altersgruppe erklären sich als religiös (GUS, 2015). Demgegenüber glaubt die Hälfte deutscher Jugendlicher nicht an Gott oder bleibt unentschieden. Dazu bekennen sich nur 15% evangelischer und 20% katholischer Jugendlicher zum Beten (Schell-Jugendstudie, 2015).
Problemstellung der vorliegenden Untersuchung
Aus den dargestellten Studien ergeben sich einige Forschungsprobleme, denen in dieser Untersuchung nachgegangen wird. Die vorherigen Befunde deuten auf eine positive Ausprägung von Religiosität auf das Kohärenzgefühl in klinischen Stichproben und in Gruppen von älteren Menschen hin. Nichtsdestotrotz wurde das Thema in Hinsicht auf die junge Generation nicht genug beachtet. Zusätzlich wurde dem mehrdimensionalen Charakter von Religiosität wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Infolgedessen wird in dieser Studie das Kohärenzgefühl junger Menschen in Bezug auf drei verschiedene Aspekte von Religiosität untersucht—Einstellung zum Glauben, Gottesdienst und private religiöse Praxis. Darüber hinaus wurden hier folgende Annahmen formuliert:
- Religiösere Studierende verfügen über ein signifikant höheres Kohärenzgefühl als weniger religiöse Studierende.
- Häufigere Kirchgänger verfügen über ein signifikant höheres Kohärenzgefühl als seltenere Kirchgänger.
- Häufigere religiös Praktizierende verfügen über ein signifikant höheres Kohärenzgefühl als seltenere religiös Praktizierende.
Zu ihrer Überprüfung wird ein Vergleich von Kohärenzgefühl- Mittelwerten aus jeweils zwei Gruppen durchgeführt: Religiösere Studierende mit weniger religiösen Studierenden; häufigere Kirchgänger mit seltenen Kirchgängern; häufigere Praktizierende mit seltenen Praktizierenden. Dazu wird der t-Test für unabhängige Stichproben verwendet. Die Mittelwertdifferenzen werden als signifikant eingestuft, wenn das Signifikanzniveau kleiner als 0,5 ist (p<0,5). Damit werden auch die Hypothesen dieser Untersuchung bestätigt.
Weiterhin zeigt der Vergleich zwischen Deutschland und Polen wesentliche Differenzen in Konfessionsverteilung, Einstellung zum Glauben und zu der Kirche, wodurch das Kohärenzgefühl in diesen Ländern auf unterschiedliche Weise ausgeprägt sein könnte. Bezogen darauf wurden hier folgende Hypothesen aufgestellt.
- Es gibt einen landesspezifischen Einfluss von religiöser Überzeugung auf das Kohärenzgefühl.
- Es gibt einen landesspezifischen Einfluss vom Gottesdienstbesuches auf das Kohärenzgefühl.
- Es gibt einen landesspezifischen Einfluss von privater religiöser Praxis auf das Kohärenzgefühl.
- Es gibt einen landesspezifischen Einfluss von Religionszugehörigkeit auf das Kohärenzgefühl.
Annahmen 4, 5 und 6 werden mit der zweifaktorialen Varianzanalyse untersucht. Damit kann der kombinierte Einfluss von Landeszugehörigkeit und Religiositätsindikatoren auf das Kohärenzgefühl analysiert werden. Hierzu wird diese Analyse dreimal durchgeführt, da im Fokus dieser Untersuchung drei Religiositätsindikatoren stehen. Die Interaktionseffekte werden als relevant angesehen, wenn das Signifikanzniveau kleiner als 0,5 ist (p<0,5). Annahme 7 wird mit einer Regressionsanalyse überprüft. Der Mangel an Protestanten in der polnischen Stichprobe hatte zur Folge, dass man den Interaktionseffekt nicht überprüfen konnte. Die polnische Stichprobe war in Bezug auf Konfessionszugehörigkeit nicht komplett (Tabelle 1). Durch die zweimalige Durchführung von der hierarchischen multiplen linearen Regression werden die Einflussstärken von Religionszugehörigkeit und Religiositätsindikatoren auf das Kohärenzgefühl jeweils in der deutschen und in der polnischen Stichprobe analysiert. Bei der hierarchischen Regression werden sukzessiv unabhängige Variablen, also Religiositätsindikatoren und Religionsgruppen, in das Modell eingefügt. Die Reihenfolge wird durch eine zuvor durchgeführte Produkt-Moment-Korrelation festgelegt. Hierbei werden schrittweise diejenigen Variablen angegeben, welche die höchsten Korrelationen mit der abhängigen Variable, dem Kohärenzgefühl, zeigen. Die Korrelationsanalyse wird hier auch zur Überprüfung der Linearität verwendet. Lineare Zusammenhänge zwischen den Variablen sind eine wichtige Voraussetzung für die Anwendung der linearen Regression (Backhaus et al., 2003, S. 45-116). Bei der Regression wird in jedem Schritt geschaut, ob die eingefügte Variable den Erklärbeitrag im Modell signifikant erhöht. Dabei wird auf die folgenden Werte geachtet: R² gibt an, wie viel Varianz von der abhängigen Variable durch die unabhängigen Variable erklärt wird; Änderungen in R² geben an, wie sich die abhängige Variable bei einer Veränderung der unabhängigen Variable verändert; p-Wert ist das Signifikanzniveau, das hier kleiner als 0,5 sein muss (p<0,5), um die Aussagekraft dieser Änderungen als relevant einstufen zu können (Bühl, 2008, S. 366-370; Leonhart, 2010, S. 194-204).
Schließlich hat eine Gruppe von empirischen Befunden keine signifikanten Differenzen im Kohärenzgefühl verschiedener Nationen nachgewiesen. Trotz soziokultureller Unterschiede zwischen Deutschland und Polen wird davon ausgegangen:
- Das Kohärenzgefühl deutscher Studierender unterscheidet sich nicht vom Kohärenzgefühl polnischer Studierender.
Hier wird ein Vergleich von den Kohärenzgefühl- Mittelwerten der zwei Gruppen, polnischer Studierender und deutscher Studierender, durchgeführt. Dazu wird der t-Test für unabhängige Stichproben angewendet. Die Mittelwertdifferenz wird als signifikant eingestuft, wenn das Signifikanzniveau kleiner als 0,5 ist (p<0,5). Damit wird die Annahme in diesem Forschungsverfahren bestätigt.
Methodisches Vorgehen
Bei jedem Testinstrument ist die Messgenauigkeit wichtig, die mit dem Cronbach-alpha-Koeffizienten „ά“ geschätzt wird, „ά“. Die Reliabilität kann Werte zwischen 0 – keine Messgenauigkeit, und 1 – höchste Messgenauigkeit annehmen, wobei Werte zwischen 0,80 und 0,90 als ausreichende Reliabilität bezeichnet werden. Werte >0,90 werden als gute Reliabilität eingestuft (Hussy et al., 2010, S. 83; Lexikon der Psychologie). Um die aufgestellten Hypothesen zu überprüfen, werden die folgenden Skalen benutzt: Zur empirischen Erfassung des Kohärenzgefühls wird Antonovskys Langversion des Fragebogens zur Lebensorientierung, SOC-29Items, verwendet (Deutsch – Franke, 1997; Polnisch – Koniarek et al., 1993). Diese Skala wurde bereits in studentischen Stichproben angewendet (Gibson & Cook, 1996; Jorgensen et al., 1999; Torsheim et al., 2001). Ihre Reliabilität betrug bei unterschiedlichen Probanden von ά=0,88 zu ά=0,91 (Antonovsky, 1983, 1993). Damit ist gemeint, dass der Fragebogen als Testinstrument für das Kohärenzgefühl zuverlässig ist. Die Werte dieses Fragebogens können zwischen 29 und 203 liegen. Je höher der Wert ist, desto stärker das Kohärenzgefühl. Die Variablen der SOC-Skala waren in dieser Stichprobe normal verteilt (Gauß-Glocke).
Unter dem Begriff Religiosität wurden drei verschiedene Aspekte untersucht: Die Stärke der religiösen Überzeugung, organisierte und nicht-organisierte religiöse Aktivität. Zur Feststellung der Stärke der religiösen Überzeugung wurde Santa Clara Fragebogen zur Stärke des religiösen Glaubens (SCSORF-10Items) von Plante und Boccaccini (1997) benutzt (Deutsch – Büssing, 2002; Polnisch – Wnuk, 2009). Die Skala hat ihre Anwendung in studentischen Stichproben gefunden (Lewis et al., 2001; Plante et al.; 2001; Freiheit et al., 2006; Wnuk, 2009) und ist zuverlässig, ά=0,94 (Plante & Boccaccini, 1997). Um zwischen weniger religiösen Hochschülern und religiöseren Studierenden unterscheiden zu können, werden die Variable von SCSORF mit dem Median-Split kategorisiert. Dazu dienen die Angaben der Autoren. Außerdem kann diese Skala für verschiedene Religionsgruppen angewendet werden, da sie auf keine konkrete Konfession fixiert ist.
Organisierte religiöse Aktivität – ORA (Wie oft gehen Sie in die Kirche, besuchen Sie andere religiöse Treffen oder Gemeinden?) und nicht-organisierte religiöse Aktivität—NORA (Wie oft beten Sie, meditieren Sie oder lesen Sie die Bibel?) wird durch The Duke University Religion Index – DUREL von Koenig u.a (1997) untersucht. Da keine deutsche und polnische Adaptation vorhanden waren, wird hier die Selbstübersetzung angewendet. Nach Empfehlungen der Autoren sollen ORA und NORA getrennt berechnet werden. Ihre Reliabilität betrug in unterschiedlichen Probanden von, ά= 0,78 bis ά=0,91 (Koenig et al., 1997). Die Variablen von ORA werden durch den Median-Split kategorisiert und in zwei Gruppen aufgeteilt – häufiger Kirchgänger und seltener Kirchgänger. Die Variablen von NORA werden mit dem Mittelwerte-Split kategorisiert (Medien-Split =1), und in zwei Gruppen aufgeteilt – häufiger Praktizierende und seltener Praktizierende. Da keine Angaben von Autoren für diesen Skalen existieren, werden der Median-Split und der Mittelwerte-Split selbst bestimmt. Die Variablen von allen drei Religiosität-Skalen waren nicht normal verteilt in dieser Stichprobe (Gauß-Glocke). Trotzdem werden hier parametrische Testinstrumente angewendet, da sie robust gegen fälschlich angenommene Normalverteilungsannahmen sind (Rost, 2007; Westermann, 2000).
Zur Feststellung von Landeszugehörigkeit und Religionszugehörigkeit wird ein Fragebogen angewendet. Bei der Religionszugehörigkeit lautet die Frage: Welche Religion praktizierst du?Bei der Landeszugehörigkeit ist die Frage: Aus welchem Land kommst du?
Die Studie wurde mit Hilfe der Internet-Plattform Uni-Park durchgeführt. Die Anfrage über eine anonyme Teilnahme an diesem Forschungsvorhaben wurde zusammen mit dem Link zu den Fragebögen an deutsche und polnische Studentenverbände, Universitäten und buddhistische Zentren in einer Email geschickt. Die Untersuchung wurde vom 6. Juni bis 6. August 2011 durchgeführt. Die Ausschlusskriterien waren: fehlende Antworten, Teilnehmer älter als 30, die Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppe, die weniger als 50 Befragte hat.
Die Stichprobe umfasste 2266 Studierende aus Deutschland (72%) und Polen (28%). Das Alter der Befragten lag zwischen 19 und 30 Jahren, woraus sich ein Durchschnittsalter von 23,4 ergab. Die Stichprobe enthielt 26% Männer und 74% Frauen. Tabelle 1 stellt interessante Unterschiede in der Religionszugehörigkeit zwischen den beiden Ländern dar. Während ein großer Teil der deutschen Studierenden keine Religionszugehörigkeit angekreuzt hat (45%), hat dies nur ein Viertel der polnischen Studenten getan. Es gab keine Protestanten in Polen, und mehr als die Hälfte der polnischen Befragten erklärte sich als katholisch. Während in der deutschen Stichprobe 30% Protestanten waren, gaben nur 19% der Befragten eine katholische Konfession an. Trotz einer so kleinen Zahl an deutschen Katholiken, muss betont werden, dass die Zahl der beiden Konfessionen in Deutschland fast gleich ist. Christen sind aber sehr unterschiedlich im ganzen Land verteilt. Nord- und Ost-Deutschland sind mehrheitlich protestantisch. Süd- und West-Deutschland sind mehrheitlich katholisch (Statistisches Bundesamt, 2011; REMID, 2014).
Tabelle 1: Religionszugehörigkeit in Stichproben (in Prozent)
Deutschland | Polen | |
---|---|---|
Protestanten | 30 | – |
Katholiken | 19 | 66 |
Buddhisten | 6 | 8 |
Konfessionslose | 45 | 26 |
Gesamt | 100 | 100 |
Die Einstellung zum Glauben zeigt, dass sich über 70% der jungen Deutschen als nicht religiös bezeichneten, dagegen weniger als die Hälfte der polnischen Befragten (Tabelle 2). Die Gottesdienstbesuche deutet auf eine stärkere religiöse Bindung der polnischen Studierenden im Gegensatz zu ihren deutschen KollegenInnen hin (Tabelle 3). Bei der privaten religiösen Praxis zeigen polnische Studenten im Vergleich zu den Deutschen mehr Engagement (Tabelle 4).
Tabelle 2: Einstellung zum Glauben in Stichproben (in Prozent)
Deutschland | Polen | |
---|---|---|
Religiösere Studierende | 24 | 52 |
Weniger religiöse Studierende | 76 | 48 |
Gesamt | 100 | 100 |
Tabelle 3: Gottesdienstbesuch in Stichproben (in Prozent)
Deutschland | Polen | |
---|---|---|
Mehrmals die Woche | 5 | 17 |
Einmal die Woche | 6 | 27 |
Mehrmals im Monat | 5 | 12 |
Mehrmals im Jahr | 17 | 15 |
Einmal im Jahr oder seltener | 33 | 10 |
Nie | 34 | 19 |
Gesamt | 100 | 100 |
Tabelle 4: Private religiöse Praxis in Stichproben (in Prozent)
Deutschland | Polen | |
---|---|---|
Mehrmals am Tag | 69 | 38 |
Jeden Tag | 8 | 11 |
Mehrmals die Woche | 4 | 3 |
Einmal die Woche | 8 | 13 |
Mehrmals im Monat | 9 | 25 |
Selten oder nie | 2 | 10 |
Gesamt | 100 | 100 |
Ergebnisse
Die erste Hypothese dieser Untersuchung lautet, dass religiösere Studierende über ein signifikant höheres Kohärenzgefühl als weniger religiöse Studierende verfügen. In der Gruppe von stärker religiöseren Studierenden war das Kohärenzgefühl höher (M=139,77; SD=22,46) als in der Gruppe von weniger religiösen Studierenden (M=133,88; SD=22,51). Die Unterschiede könnten als signifikant eingestuft werden, t(2264)= -6,884, p<0,001. Damit wurde die erste Annahme in dieser Untersuchung bestätigt. Weiterhin wurde vermutet, dass häufigere Kirchgänger ein signifikant besseres Kohärenzgefühl haben als seltenere Kirchgänger. In der ersten Gruppe wurde ein höherer Kohärenzgefühl- Wert beobachtet (M=137,07; SD=21,41) als in der zweiten Gruppe (M=130,33; SD=23,97). Die Mittelwertdifferenz war signifikant t(1138,110)=-6,289, p<0,001. Damit wurde die zweite Hypothese in diesem Forschungsvorhaben angenommen. Ferner wurde es davon ausgegangen, dass häufiger Praktizierende ein stärkeres Kohärenzgefühl haben als seltenere Praktizierende. Ebenso wie beim Gottesdienstbesuch zeigte die erste Gruppe ein höheres Kohärenzgefühl (M=139,69; SD=21,72) als die zweite Gruppe (M=133,02; SD=22,39). Die Unterschiede könnten als signifikant eingestuft werden, t(2264)=-6,601, p<0,001. Damit wurde auch die dritte Hypothese dieser Studie bestätigt (Diagramm 1).
Diagramm 1
Das Kohärenzgefühl in Bezug auf die religiöse Überzeugung, den Gottesdienst und die private religiöse Praxis
Der nächste Forschungsansatz stellte landesspezifische Einflüsse von Religiositätsindikatoren auf das Kohärenzgefühl in den Fokus. Diesbezüglich wurden drei Annahmen formuliert: Es wurde davon ausgegangen, dass der Einfluss von religiöser Überzeugung auf das Kohärenzgefühl bei polnischen und deutschen Hochschülern unterschiedlich ist. Die zweifaktorielle Varianzanalyse ergab keine Wechselwirkung, F(1, 2262) = 3,181 und p = 0,075. Damit konnte diese Hypothese in dieser Untersuchung nicht mit „ja“ beantwortet werden. Dasselbe gilt für nicht-organisierte religiöse Aktivität, F(1, 2262) = 1,817 und p = 0,178. Die Vermutung, dass es eine differenzierte Auswirkung von privater religiösen Praxis auf das Kohärenzgefühl in den Stichprobe gibt, wurde hier nicht bestätigt. Die Analyse ergab, dass nur organisierte religiöse Aktivität einen landesspezifischen Einfluss auf das Kohärenzgefühl zeigte, F(1, 2262) = 10,969 und p = 0,001. Der Einfluss des Gottesdienstbesuches auf das Kohärenzgefühl war in Polen stärker als in Deutschland.
Besonders den Gottesdienst weniger zu besuchen, schwächte das Kohärenzgefühl von polnischen Studierenden deutlicher, als das ihrer deutschen KollegInnenen (Diagramm 2).
Diagramm 2, nach SPSS
SOC– Kohärenzgefühl
ORA– Gottesdienst
Low– Seltene Kirchgänger
High– Häufige Kirchgänger
Weiterhin wurde der Annahme über die landesspezifischen Einflussstärke-Differenzen von Religionszugehörigkeit auf das Kohärenzgefühl nachgegangen. Zu diesem Zweck wurde die hierarchische multiple lineare Regressionsanalyse für die getrennten Stichproben durchgeführt. Die Produkt-Moment-Korrelation ergab in beiden Stichproben lineare Zusammenhänge zwischen den Variablen, was eine wichtige Voraussetzung für eine lineare Regression ist. Die unabhängigen Variablen—Religiositätsindikatoren und Religionszugehörigkeit, korrelierten in den Stichproben schwach aber signifikant mit der abhängigen Variablen, dem Kohärenzgefühl (unter 0,2; p<0,05). Die Korrelationsanalyse teilte auch die Reihenfolge für die unabhängigen Variablen zu, die schrittweise in die Regressionsanalyse eingefügt wurden. Die Änderungen in R² zeigen, wie sich der Kohärenzgefühl- Wert verändert, nach der Hinzunahme von den einzelnen Einflussvariablen, was auch als Prognose oder Vorhersage bezeichnet wird.
In der deutschen Stichprobe wurde R² 3,2% der Varianz im Kohärenzgefühl durch alle gegebenen unabhängigen Variablen erklärt (Schritt 4; 0,032 * 100 = 3,2%). Die Erklärungskraft war signifikant, (p=0,016). In Schritt 1 prognostizierte die religiöse Überzeugung den Kohärenzgefühl- Wert am stärksten, 1,5%, p<0,001. Das Einfügen von nicht-organisierter religiöser Aktivität in Schritt 2 veränderte den Kohärenzgefühl- Wert nur um 0,4%, p=0,016. Organisierte religiöse Aktivität in Schritt 3 – 0,7%, p=0,001, und Religionszugehörigkeit in Schritt 4 – 0,6%, p=0,016, trugen zum Kohärenzgefühl Wert am wenigsten bei.
Regressionstabelle: deutsche Stichprobe
Einflussvariablen auf das Kohärenzgefühl | R² | Änderungen in R² | Sig. |
---|---|---|---|
1. Schritt: Die Stärke der religiösen Überzeugung |
0,015 | 0,015 | p<0,001 |
2. Schritt: Die Stärke der religiösen Überzeugung, plus nicht-organisierte religiöse Aktivität |
0,018 | 0,004 | p=0,016 |
3. Schritt: Die Stärke der religiösen Überzeugung, plus nicht-organisierte religiöse Aktivität, plus organisierte religiöse Aktivität |
0,024 | 0,007 | p=0,001 |
4. Schritt: Die Stärke der religiösen Überzeugung, plus nicht-organisierte religiöse Aktivität, plus organisierte religiöse Aktivität Plus, plus Religionszugehörigkeit |
0,028 | 0,006 | p=0,016 |
In der polnischen Stichprobe ergab sich stattdessen, dass R² 11.6% der Varianz im Kohärenzgefühl durch alle gegebenen unabhängigen Variablen erklärt wurde (Schritt 4; 0,116 * 100 = 1,6%). Die Aussagekraft war signifikant (p<0,0001). In Schritt 1 beeinflusste nicht-organisierte religiöse Aktivität 3,9% der Varianz im Kohärenzgefühl. Das Einfügen von der Stärke der religiösen Überzeugung in Schritt 2 veränderte den Kohärenzgefühl- Wert um 0,8%; p=0,022.
Das Einsetzen von organisierter religiöser Aktivität in Schritt 3 prägt den Kohärenzgefühl- Wert nur um 0,7%, p=0,031. Religionszugehörigkeit prognostizierte den Kohärenzgefühl- Wert am stärksten, 6,2%, p<0,001 (Schritt 4). Die Regressionsanalyse wies in diesem Forschungsvorhaben auf, dass sich die Einflussstärke von Religionszugehörigkeit auf das Kohärenzgefühl zwischen den Ländern unterscheidet. In der polnischen Stichprobe prognostiziert diese Variable den Kohärenzgefühl- Wert am stärksten (6,2%). In der deutschen Stichprobe jedoch viel weniger (0,6%). In beiden Fällen war die Aussagekraft signifikant, p<0,05. Damit wurde die Hypothese über den landesspezifischen Einfluss von Religionszugehörigkeit bei dieser Untersuchung angenommen.
Regressionstabelle: polnische Stichprobe
Einflussvariablen auf das Kohärenzgefühl | R² | Änderungen in R² | Sig. |
---|---|---|---|
1. Schritt: Nicht-organisierte religiöse Aktivität |
0,039 | 0,039 | p<0,001 |
2. Schritt: Nicht-organisierte religiöse Aktivität, plus die Stärke der religiösen Überzeugung |
0,047 | 0,008 | p=0,022 |
3. Schritt: Nicht-organisierte religiöse Aktivität, plus die Stärke der religiösen Überzeugung, plus organisierte religiöse Aktivität |
0,054 | 0,007 | p=0,031 |
4. Schritt: Nicht-organisierte religiöse Aktivität, plus die Stärke der religiösen Überzeugung, plus organisierte religiöse Aktivität, plus Religionszugehörigkeit |
0,116 | 0,062 | p<0,001 |
Schließlich wurde mit dem t-Test die letzte Annahme über potentielle Differenzen im Kohärenzgefühl zwischen Deutschland und Polen überprüft. Laut diesem Verfahren zeigten sich hier keine signifikanten Unterschiede, t(1011,867)=1,220, p=0,223. Damit wurde die Hypothese in dieser Studie bestätigt.
Diskussion
Die dargestellten Ergebnisse zeigen, dass folgende Aspekte von Religiosität relevant sind für das Kohärenzgefühl junger Menschen: religiöse Überzeugung, organisierte und nicht-organisierte religiöse Aktivität, relevant für das Kohärenzgefühl junger Menschen sind. Auf der individuellen Ebene, wo das Kohärenzgefühl nur in Bezug auf die Religiositätsindikatoren untersucht wurde, entfaltet Religiosität ihre positive Auswirkung auf das Kohärenzgefühl von Studierenden. Dies untermauert die Ergebnisse der vorherigen Studien, die eine positive Verbindung zwischen dem Kohärenzgefühl und Religiosität nachgewiesen haben (Gibson, 2003; Delgado, 2007; Zarzycka & Rydz, 2014). Weiterhin lässt es sich anhand der Resultate belegen, dass die Einflussstärke des Gottesdienstbesuches und der Religionszugehörigkeit auf das Kohärenzgefühl von der Landeszugehörigkeit abhängt.
Der Gottesdienstbesuch zeigte seine Auswirkung auf das Kohärenzgefühl mehr in Polen als in Deutschland. Außerdem prognostizierte die Religionszugehörigkeit den Wert des polnischen Kohärenzgefühls am stärksten und den Wert des deutschen Kohärenzgefühls in viel geringeremn Maß. Ferner zeigten die Daten, dass nur ein geringer Teil der Varianz im Kohärenzgefühl durch die erhobenen Religiositätsindikatoren erklärt wurde, und dass dieser Anteil in Deutschland noch geringer gewesen ist, als in Polen.
In den Ergebnissen dieser Untersuchung spiegeln sich die Unterschiede in der Einstellung zum Glauben und die Stärke seines Einflusses auf das soziale Leben in Deutschland und Polen.
In Bezug auf die Religionszugehörigkeit ist die Zahl der Konfessionslosen in Deutschland seit den 1970er Jahren kontinuierlich gestiegen. Ihr Anteil übertrifft mittlerweile in einigen Bundesländern die Konfessionsangehörigen (z.B in Mecklenburg-Vorpommern oder in Brandenburg; in Sachsen-Anhalt sind über 80 % der Menschen konfessionslos).
Konfessionslosigkeit ist ein Normalzustand in Deutschland, der immer weniger erklärungsbedürftig wird. Konfessionslose sehen ihre gewählte Lebensoption nicht als Defizit. Sie bleiben dabei weiter selbstbewusst, da sie nicht von der modernen Gesellschaft ausgeschlossen sind. Die deutsche Gesellschaft wird weitestgehend als säkular betrachtet und die Religion (damit auch die Kirche) sind eher Randbereiche im öffentlichen Leben. Von den Konfessionslosen bezeichnen sich nur 28% (West) und 12% (Ost) als religiös erzogen (Pickel, 2014).
In Polen stellt sich die Situation komplett anders dar. Nach Tyrala (2013), einem Initiator der Forschung über die konfessionslose Minderheit im modernen Polen, ist es viel einfacher, Gott aus seinem eigenen Geist zu entfernen, als aus dem sozialen Umfeld. Politik und Kirche sind in Polen sehr stark mit einander verbunden, was natürlich das öffentliche Leben beeinflusst. Darüber hinaus vergleicht der Forscher den Austritt aus der Kirche mit einer Form der Konversion. Die Mehrheit der untersuchten Konfessionslosen kommt aus katholischen Familien und wurde auch katholisch erzogen. Der Prozess begann, bevor sie neunzehn Jahre alt waren. Diese Neuorientierung war ein Wendepunkt in ihrer Biographie und brachte Veränderungen auf zwei Ebenen mit sich – auf der psychologischen Ebene und in der sozialen Ebene. Die Veränderungen auf der psychologischen Ebene bringen eine gewisse Befreiung von der ideologischen Zwangsjacke religiöser Zugehörigkeit. Auf der sozialen Ebene werden Konfessionslose ständig dazu gezwungen, ihre Entscheidung vor der katholischen Familie und den Freunden zu rechtfertigen. Sie bekommen weniger soziale Unterstützung und werden stigmatisiert (Tyrala, 2013).
Wie wichtig der Kontakt mit Gleichgesinnten ist, zeigt eine andere Studie von Lim und Putnam (2010). Die Forscher machen geltend, dass nicht Theologie oder Spiritualität, sondern soziale Aspekte zur Lebenszufriedenheit führen. Im besonderen geht es hier um die Vernetzung mit Freunden aus der Glaubensgemeinschaft, was die Möglichkeit beinhaltet, dass Menschen glücklicher sind.
Die Ergebnisse dieser Untersuchung weisen darauf hin, dass die Einflussstärke von Religiosität und Religionszugehörigkeit auf die Gesundheit junger Menschen von der religiösen Struktur der Gesellschaft, in der sie leben, abhängt. In einem katholischen Land wie Polen gewinnen diese Einflüsse an Bedeutung. In einem säkularen Land wie Deutschland verlieren sie an Relevanz.
Eine wichtige Ergänzung dieser Resultate ist schließlich das Ergebnis, dass keine national-spezifischen Unterschiede im Kohärenzgefühl zwischen den Ländern bestehen. Dies untermauern nicht nur die vorherigen Studien (Bowman, 1996; Hood et al., 1996; Gibson, 2003) sondern auch Antonovskys Aussage über den Charakter dieses Konstruktes. Das Kohärenzgefühl ist universell. Nichtsdestotrotz prägt die unterschiedliche Verteilung von Ressourcen in verschiedenen Kulturen das Konstrukt unterschiedlich aus, was man an dem Beispiel von Deutschland und Polen in Bezug auf Religiosität und Religionszugehörigkeit sehen kann.
Einschränkung dieser Untersuchung
Was die Aussagekraft diese Arbeit einschränkt, ist der heterogene Charakter der Stichproben. Im Focus dieser Untersuchung standen zwar Studierende, aber auch innerhalb von dieser Gruppe könnte man sozioökonomische Differenzierungen durchführen. Somit sind Verallgemeinerungen auf andere Gruppen von jungen Menschen nicht zuverlässig. Männer sind in dieser Stichprobe deutlich unterrepräsentiert. Auch der Mangel an Protestanten in Polen könnte die Ergebnisse beeinflussen. Nichtsdestotrotz konnten durch die Fragestellung dieser Untersuchung neue Erkenntnisse in Bezug auf den landesspezifischen Einfluss von Religiosität und Religionszugehörigkeit auf die Gesundheit von Studierenden gewonnen werden.
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Über die Autorin
Dr. phil. Malgorzata Schonder: Promotion an der Fakultät für Geistes- und Erziehungswissenschaften der Universität Braunschweig (Deutschland). Kontakt: margareta.schonder@gmail.com