Book Review / Рецензия книг / Buchbesprechung: Renz-Polster, Herbert (2014): Die Kindheit ist unantastbar. Warum Eltern ihr Recht auf Erziehung zurückfordern müssen.

By Anja Franz | December 4, 2015

Renz-Polster, Herbert (2014): Die Kindheit ist unantastbar. Warum Eltern ihr Recht auf Erziehung zurückfordern müssen. Weinheim/Basel: Beltz Verlag. (240 Seiten. ISBN: 978-3-407-85847-4)

Das Ziel elterlicher Erziehungsbemühungen ist seit jeher dasselbe: Sie wollen das Beste für ihre Kinder. Damit ist gemeint, die Zöglinge in ihrer Kindheit bestmöglich auf das zukünftige Erwachsenenleben vorzubereiten, auch wenn dies zum Teil mit enormen Belastungen für Eltern und Kinder einhergeht. Was nun das Bestmögliche sei und vor allem wie es erreicht werden könne, darüber bestehen, ebenfalls seit jeher, zwischen den Generationen und auch innerhalb dieser wahrlich erhebliche Differenzen. Heutzutage legen manche Eltern beispielsweise bei der Wahl einer Kindertagesstätte Wert auf die Ausgestaltung eines frühkindlichen Förderangebots mit Sprachkursen, musikalischen oder gar informationstechnischen Ausbildungseinheiten. Andere wiederum begeistern sich eher für Lagerfeuer im Garten, Kletterbäume oder Rodelberge und lehnen unter Umständen sogar die Dokumentation der frühkindlichen Lernfortschritte durch das Erziehungspersonal ab. Sind die einen überambitioniert oder die anderen unverantwortlich?

Herbert Renz-Polster, Kinderarzt und Wissenschaftler, verortet die heutige Erziehung in seinem populärwissenschaftlichen Buch „Die Kindheit ist unantastbar. Warum Eltern ihr Recht auf Erziehung zurückfordern müssen“ zur Beantwortung jener Fragen im Spannungsfeld zwischen der Perspektive des Kindes, wirtschaftlichen Interessen sowie gesellschaftlichen Anforderungen. Offenkundig normativ appelliert er an die Selbstbestimmtheit der Eltern, sich zu den aus diesem „widersprüchlichen Dreieck“ (S. 208) entstehenden Problemlagen zu informieren, aktiv Stellung zu beziehen und gegebenenfalls das eigene erzieherische Handeln zu überdenken, um der Ökonomisierung von Kindheit nicht weiter Vorschub zu leisten.

Die einleitende Feststellung des Autors ist entsprechend die Folgende: „Was uns als die beste Erziehung für unsere Kinder erscheint, hat nur wenig mit den Kindern zu tun, wie sie sind. Es hat vielmehr damit zu tun, für was sie einmal gebraucht werden. Und da haben beileibe nicht nur die Eltern das Sagen.“ (S. 9). Um den Eltern die Möglichkeit zu geben, das Recht auf Erziehung ihrer Kinder zurückzufordern, verfolgt der Autor das Ziel, ihnen in seinem Buch die „Mit-Erzieher ihrer Kinder“ (ebd.) vorzustellen. Dafür gliedert er den Text in sechs Teile, die wiederum durch zwei bis fünf Unterkapitel strukturiert sind.

Im ersten Teil beschäftigt sich Renz-Polster mit der Frage „Wer erzieht unsere Kinder?“ (S. 11). Heutige Erziehungsbemühungen stellt er unter Hinzunahme historischer Beispiele als sich im Lichte vor allem wirtschaftlicher Interessen selbst organisierenden „Systemprozess“ (S. 19) dar. In diesem gehe es nicht nur um die Interessen der Eltern, sondern zwangsläufig bewusst oder auch unbewusst um die Bedienung der Interessen anderer gesellschaftlicher AkteurInnen. Kinder würden eben nicht nur als „Nachwuchs“, sondern auch als „Funktionsträger für die Zukunft“ (S. 19) gesehen, in welcher sie ganz bestimmte gesellschaftliche Rollen ausfüllen und so zur gesellschaftlichen Entwicklung ihren Beitrag leisten müssen. Dies kennzeichne dann auch die ideologische „Rückseite der Erziehungsmedaille“: Kinder als noch nicht ausgeschöpfte Bildungspotentiale ließen auf bestimmte zukünftige Leistungen hoffen, welche Deutschland im internationalen Wettbewerb langfristig einen Spitzenplatz sichern sollen. Jenes Potential könne, so der Glaube, vermittels „richtiger“ Erziehung und pädagogischer „Mästung“ effizient erschlossen werden, denn: „Das Kind soll fit werden für den Wettbewerb.“ (S. 30). Renz-Polster lehnt diese auf Rendite orientierte Perspektive auf Kinder sowie Erziehung ab und stellt fest: „Weder passt eine auf immerwährendes Wachstum und damit immer schnelleren Ressourcenverbrauch abzielende Wirtschaft zu den Endlichkeiten unseres Planeten, noch passt die damit einhergehende Forderung nach immer höherer Effizienz zu unserer menschlichen Natur.“ (S. 52). Eine ausführliche Begründung liefern die nachfolgenden Abschnitte des Buches.

Der zweite Teil ist der Einordnung von Erziehung in die aktuelle Zeitgeschichte gewidmet, wobei er die Einflüsse der Wirtschaft im Sinne einer „pädagogischen Mobilmachung“ (S. 53) mit der Ausrichtung auf Wachstumsziele eines stetig effizienteren Kapitalismus aufzeigt. Ausgehend vom Bildungskonzept „Haus der kleinen Forscher“ der Unternehmensberatung McKinsey erläutert Renz-Polster die Verflechtungen von frühkindlicher Bildung und wirtschaftlicher Priorisierung: „Den Kindern sollen Kompetenzen vermittelt werden, die sie für das Wachstums- und Effizienzmodell des globalisierten Wettbewerbs tauglich machen.“ (S. 60). Die Kindheit selbst geriet als Teil des institutionell abgesicherten Bildungsweges eines jeden Menschen aus seiner Sicht unter einen alternativlosen Effizienzdruck: „Nützlichkeit, Effektivität, Mehrwert gelten jetzt auch für die Kindheit. […] Offensichtlich gewinnt das Kind erst dadurch an Wert, dass es die Fähigkeiten erlangt, mit denen es eines Tages seinen Beitrag zum Wachstum leistet.“ (S. 70). Diesem könnten sich auch die hartnäckigsten Eltern aufgrund mangelnder Alternativen im Bereich der außerhäuslichen Kleinkindbetreuung nicht mehr lange entziehen. Der Autor mahnt, dass die Definitionsmacht des Bildes von Kindern und Kindheit eindeutig nicht bei den Eltern oder den MitarbeiterInnen frühkindlicher Bildungsstätten läge und plädiert entsprechend für den Ausbau der Partizipationsmöglichkeiten.

Die Eltern als Erziehungsberechtigte und deren Erziehungshaltung stehen im Mittelpunkt des dritten Teils unter der Überschrift „Unterschiedliche Akteure – unterschiedliche Interessen?“ (S. 91). Renz-Polster konstatiert eine Pluralität der Bilder von Kindern und Kindheit in Abhängigkeit von den Beziehungen und dem elterlichen psychosozialen Rahmen. Jene „Elternschaftskulturen“ rieben sich alle „einmal mehr und einmal weniger mit den momentanen Entwürfen der dominanten Kultur“ (S. 96). Ordnung in den „Streit um die richtige Erziehung“ (S. 99) könne dann die Wissenschaft bringen, welche eine Vielzahl Erziehungsratschläge unter Rückbezug auf unterschiedliche theoretische Ideen für die Eltern bereithielte. Doch auch diese Erkenntnisse sind nach Renz-Polster als Spiegel des jeweils geltenden erklärungsmächtigen Menschenbildes zu betrachten. Wissenschaftliche Objektivität könne in der Folge allenfalls als eine scheinbare gewertet werden. Dem Staat komme in Bezug auf die elterliche Erziehungshaltung ebenfalls eine zentrale Bedeutung zu: über das staatliche Bildungssystem. Diesem attestiert Renz-Polster ein Legitimationsproblem: Titelinflation, die Möglichkeit, Berufschancen ohne Zertifikate zu realisieren und unternehmerische Einflüsse deuten darauf hin, „dass das Bildungswesen seiner Rolle als reine Sortiermaschine nach und nach verlustig gehen wird“ (S. 121). Jene Diagnose scheint aus Sicht der Bildungsforschung, welche seit Jahrzehnten den Einfluss der Bildungsinstitutionen auf die Reproduktion sozialer Ungleichheit in unterschiedlichsten Studien nachweisen kann, jedoch fragwürdig. Neben dem Staat sieht Renz-Polster die Wirtschaft als prägende Kraft, welche nun versuche, „das öffentliche Bildungssystem auf ihre Interessen auszurichten, indem sie es auf diejenigen Kompetenzen festlegt, die von den hochproduktiven Branchen der globalisierten Wirtschaft angefordert werden“ (S. 139). Abschließend formuliert er, dass die Eltern jedoch nicht einfach „Kollaborateure der jeweils herrschenden Erziehungsideologie“ seien. Erziehung könne als „sich selbst erfüllender Kreislauf“ (S. 145) verstanden werden, für den sich neben den Eltern weitere AkteurInnen verantwortlich zeigen.

„Der pädagogische Belagerungsring rund um das Kleinkind“ ist Gegenstand des vierten Teils. Eltern und auch ErzieherInnen gewännen zunehmend die Gewissheit, „die kindliche Entwicklung […] sei etwas enorm Kompliziertes, das ohne didaktisches […] Großaufgebot nicht zu bewältigen sei“ (S. 154). Kindertagesstätten würden sich in der Folge, im Gegensatz zu den historisch bedingt trägeren Schulen, vielerorts „in vorauseilendem Gehorsam“ (S. 149) in das neue Bildungsparadigma einfügen und der geforderten Akademisierung der ErzieherInnenausbildung Vorschub leisten. Aufgrund ihrer Unabhängigkeit seien sie dabei eine leichte „Beute von Moden, fahrenden Gesundbetern und Geschäftemachern“ (S. 150). Die Türen der Kitas stünden ExpertInnen aller Art zur Förderung der Kinder offen. Der „pädagogische Raum“ nach Friedrich Fröbel im Sinne eines unstrukturierten, natürlichen Erfahrungsraumes für Kinder ohne Kompetenz- und Nutzenorientierung gerät in Gefahr, obgleich gerade dies, so der Autor, den „Kindern Widerstände entgegenbringt, der sie ihre Wirksamkeit erfahren lässt, ihnen Erfahrungen mit den Elementen bietet und ihnen das selbst organisierte Entdecken ermöglicht“ (S. 156). Im Extremfall würde Natur allenfalls noch als Rahmen für pädagogisches Programm geschätzt, Kitas kommen so teilweise schon ohne Gärten aus. Doch Kinder brauchen aus Sicht Renz-Polsters keine frühkindlichen Bildungskonzepte mit Tests und Evaluationen, da sie „für Menschenkinder keinen ausreichenden Entwicklungsraum“ (S. 150) bieten. Vielmehr sind funktionierende Beziehungen, „die tagtäglich, liebevoll, verlässlich und ohne die Belastung durch mangelnde Wertschätzung und einen unrealistischen Betreuungsschlüssel den Alltag mit den Kindern gestalten“ (S. 168), unerlässlich für die Entwicklung eines Kindes. Die Aufgabe der Eltern, und nicht die der ErzieherInnen, sei es, sich gegen „dieses Schielen nach den wirtschaftlich verwertbaren Potenzialen der Kleinen, das die jetzige Frühpädagogik prägt“ (S. 169), zu wehren.

Der fünfte Teil nimmt dann unter dem Titel „In der Klemme“ die mit diesen Veränderungen verbundenen Dilemmata, wiederum mit ausführlichen historischen Bezügen, in den Blick. Kinder seien heute zunehmend ein „Kunstprodukt“ (S. 173), in welchem sich „die Lebenswelt und Wünsche der Erwachsenen samt deren – sehr unterschiedlichen – Interessen“ (ebd.) spiegeln. Erstens stünden mit der derzeitigen frühkindlichen Bildungsoffensive mehrere Versprechen in Verbindung: das „Bildungsversprechen“ (S. 175), das „Aufstiegsversprechen“ (S. 177) und das „Prosperitätsversprechen“ (S. 178). Dies seien aber eben Versprechen und keine Garantien. Renz-Polster erinnert hier daran, dass der Gewinn des „Bildungsrennens“ keineswegs, wie auch durch bildungswissenschaftliche Forschung ausreichend belegt, garantiert sei. Zweitens beschreibt er das „menschliche Sozialisationsdilemma“, welches sich aus der Rolle der/des Einzelnen in Bezug auf die Gesellschaft ergibt: „Wie stark kann der Einzelne seinen „eigenen Sinn“ in das Bildungsprojekt einbringen, das heißt seine persönlichen Fähigkeiten, Ideen und Neigungen umsetzen? Wie stark wird er auf die Belange der Gesellschaft ausgerichtet – auf deren Sachzwänge, deren Markt, auf die dort geforderten Funktionen – in welchem Maß verläuft seine Sozialisation also in einem „fremden Sinn“?“ (S. 190). Renz-Polster beschreibt Erziehung hier als Begegnung zwischen Individuum und Gesellschaft, bei der auch Belastungen für das Kind anfielen und stellt dann zusammenfassend die Frage nach den sozialen Kosten von Erziehung für das einzelne Kind. Drittens verweist er auf das Dilemma der „Bildungshoheit“ (S. 193), welche verschiedenen „Kräften“ wie der Zivilgesellschaft, dem Staat oder auch der Wirtschaft obliegen kann. In Deutschland sind all diese Akteure in unterschiedlichem Maß beteiligt. Nur ein kleiner Teil der Bildungsinstitutionen ist in privater Hand, Staat und Zivilgesellschaft sind die Hauptakteure. In Bezug auf die Elementarpädagogik zeigt sich in Deutschland eine starke Differenzierung: viele unterschiedliche freie Träger wie Kirchen, Elterninitiativen, Verbände sind ebenso Akteure in diesem Feld wie die Kommunen. Segregation nach sozialer Herkunft ist eines der Grundprobleme des deutschen Bildungssystems. Es funktioniert „gut für einen bestimmten Typ von Kind: im deutschen Mainstream sozialisiert, möglichst aus der Mittelschicht, vom ersten Schultag an fleißig, ordentlich und mit Sitzfleisch gesegnet“ (S. 196). Die „Schuld“ für die institutionelle Bevorteilung bestimmter Kinder bei gleichzeitiger Benachteiligung anderer sieht Renz-Polster weder bei den Eltern, noch bei den Kindern oder den LehrerInnen. Diese handelten jeweils rational und versuchten das Bestmögliche für sich selbst zu erreichen. Er sieht hier die politischen AkteurInnen in der Pflicht und schlägt als bildungspolitischen Lösungsansatz das „unternehmerische Modell der Bildungspolitik“ (S. 198) vor. Die an Bildungseinrichtungen zu vergebenden Mittel sollten eben nicht nach dem Gießkannenprinzip vergeben werden, sondern in Abhängigkeit der sich in den Einrichtungen stellenden Herausforderungen. Kindertagesstätten in sozialen Brennpunkten stünden entsprechend die meisten Ressourcen zu. Außerdem regt der Autor an, die am Modell „bestes Schwiegerkind“ (S. 199) orientierten Leistungsanreize zu überdenken: „Sie passen weder zum Ziel der Gleichheit […], noch passen sie zum Ziel der Freiheit – dafür müsste es ein breit gefächertes Bildungsangebot geben, das möglichst vielen Kindern mit ihren unterschiedlichen Begabungen, kulturellen Prägungen und familiären Hintergründen gerecht wird“ (ebd.). Von neoliberalen Ideen, das „Produkt Bildung“ durch Marktmechanismen zu regulieren, hält Renz-Polster unterstützenswerter Weise wenig und fordert „eine den freien Kräften des Marktes entgegengesetzte Strategie“. Das Bildungssystem sei „weder auf der Angebots- noch auf der Nachfrageseite“ (S. 202) durch das Grundrecht auf Bildung, die Schulpflicht sowie regionale Gegebenheiten ein freier Markt, wodurch die Gesellschaft und nicht der Markt das Angebot zu definieren hätte. Hierfür benötige es einen Kompromiss: „Es braucht beides – die Zivilgesellschaft und den Staat. Die Rollenverteilung und der Rahmen, in dem sie jeweils arbeiten, setzen eine tiefgreifende gesellschaftliche Diskussion über die Ziele von Bildung voraus“ (S. 204).

Der sechste und letzte Abschnitt des Buches dient unter der Überschrift „Magischer Kern der Kindheit“ der Zusammenführung der Überlegungen. Renz-Polster stellt noch einmal die Frage: „Wer gibt in der Erziehungsdebatte den Ton an?“ (S. 207) und verweist auf die verschiedenen AkteurInnen, welche neben den Eltern einen Einfluss auf die Erziehung unserer Kinder haben, denn „Erziehung bildet nun einmal die Brücke vom Ich zum Wir – vom Individuum zur Gesellschaft“ (ebd.). Das „widersprüchliche Dreieck der Erziehung“ (ebd.) bilde die Machtverhältnisse in Bezug auf die Erziehung ab:

  1. „die individuelle Perspektive des Kindes: Welche Erziehung passt zu seinen individuellen Anlagen und Neigungen?
  2. die wirtschaftliche Perspektive: Welche Fertigkeiten werden momentan gebraucht, etwa in der Wirtschaft?
  3. die gesellschaftliche Perspektive: Wie sollen Kinder beschaffen sein, damit sie sich ins Gemeinwesen einpassen?“ (S. 207-208).

Jene Gestaltungsmacht der „hochvernetzten, hochmobilen Wirtschaftselite“ (S. 210) hat heute, so der Autor, stark zugenommen: die neuen (ökonomischen) Bildungsziele zeigten deutlich den Bezug zu einem neoliberalen Wirtschaftsmodell. Die „Fundamentalkompetenzen“ (S. 213) Aufbau exekutiver Kontrolle, soziale Kompetenz, Resilienz und Kreativität als Voraussetzung für einen „unternehmerischen Zugang zur Welt“ (ebd.) ließen sich aber, und das ist wohl die zentrale Botschaft des Buches, Kindern von Erwachsenen auch nicht mit der besten „Vorbildpädagogik“ (ebd.) vermitteln. Diese beruhten hingegen auf Eigenerfahrung, welche den „Mut des Kindes (voraussetzten), sich mit eigenen Erfahrungen zu versorgen und sich der Welt auszusetzen – im eigenen Tempo, auf eigene Art und aus eigener Motivation“ (S. 214). Hierfür seien keine Bildungskonzepte sondern Beziehungskonzepte für menschliche Begegnungen nötig, welche zu „widerständigen, frei gestaltbaren Entdeckungsräumen“ (S. 218-219) im Alltag eines Kindes führen.

Herbert Renz-Polster präsentiert in seinem Buch unter Einbezug vielfältiger historischer Beispiele leidenschaftlich eine begrüßenswert kritische Sicht auf den zunehmenden Einfluss wirtschaftlich orientierter Ideen auf Kindheit, Erziehung und frühkindliche Bildung. Er beschreibt ausführlich die AkteurInnen, welche heutzutage an der Kindererziehung beteiligt sind, beleuchtet deren Interessenlagen und fordert vor allem Eltern eindrücklich auf, die heutigen Erziehungsideale kritisch zu hinterfragen.

Insgesamt liest sich das Buch durch den gewandten informellen Schreibstil eingängig und schnell. Es kann bedenkenlos als informative und kritische Lektüre für Mütter und Väter, sowie diejenigen, die es werden wollen, empfohlen werden. Auch als gemeinverständliche Überblicksliteratur zu kritischen Ideen in Bezug auf Bildung und Erziehung ist es geeignet. Neben der ungewöhnlichen Zitation fällt auf, dass Renz-Polster „Erziehung“ und „Bildung“ zwar als „kulturelle Verhandlungsmasse“ (S. 174) bezeichnet, aber nicht voreinander abgrenzt. Das Buch verbleibt, wenngleich gut recherchiert und eine Fülle an interessanten Fakten zum Themengebiet liefernd, aufgrund des populärwissenschaftlichen Charakters an einigen Stellen an der Oberfläche, was den/die LeserIn zum Weiterlesen und Nachdenken jedoch geradezu auffordert.

Rezensiert von Anja Franz, MA in Soziologie und Bildungswissenschaft, Promovendin und Dozentin am Lehrstuhl für Internationale und Interkulturelle Bildungsforschung der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, BR Deutschland. Kontact: anja.franz@ovgu.de

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