Bewältigungskapazitäten im deutsch-polnischen Kulturvergleich

By Malgorzata Schonder | December 18, 2017

Summary (Malgorzata Schonder: Coping capacities in a German-Polish cultural comparison): Comparative cultural research reveals interesting differences in coping strategies between collectivist and individualistic cultures. However, there is no study in a German-Polish comparison so far. Therefore, the question of whether and to what extent coping capacities of young people from a more individualistic culture (such as Germany) and a more collectivist culture (such as Poland) differ from each other is examined here. According to the results, German students perceive stress more strongly than their Polish colleagues. One possible reason for this could be the training stress. With a university degree, Germans have better chances on the job market. This situation is associated with more competition and pressure to perform. Great importance is attached to individual career design. On the other hand, Poles notice that a graduation does not guarantee employment, and sometimes it even makes it difficult to find a job. The differences could also have their roots in the character of the two cultures, which were influenced by different attitudes to life and religious beliefs (protestantism vs. catholicism).
Keywords: German-Polish cultural comparison, coping capacities, educational stress, religious and cultural factors

Zusammenfassung (Malgorzata Schonder: Bewältigungskapazitäten im deutsch-polnischen Kulturvergleich): Kulturvergleichende Copingforschung weist interessante Unterschiede in Bewältigungsstrategien zwischen kollektivistischen und individualistischen Kulturen auf. Bisher gibt es aber keine Studie im deutsch-polnischen Vergleich. Daher wird hier der Frage nachgegangen, ob und inwieweit sich Bewältigungskapazitäten junger Menschen aus einer eher individualistisch geprägten Kultur (wie Deutschland) und aus eher einer kollektivistisch geprägten Kultur (wie Polen) voneinander unterscheiden. Laut den Ergebnissen nehmen deutsche Hochschülerinnen und Hochschüler Stress stärker wahr, als ihre polnischen Kollegen und Kolleginnen. Eine mögliche Ursache dafür könnte im Ausbildungsstress liegen. Mit einem Studienabschuss haben Deutsche bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Dieser Sachverhalt ist mit mehr Wettbewerb und Leistungsdruck verbunden. Auf individuelle Laufbahngestaltung wird großer Wert gelegt. Auf der anderen Seite merken Polen, dass ein Studienabschuss keine Anstellungsgarantie darstellt, manchmal erschwert er sogar die Arbeitssuche. Die Unterschiede könnten ihre Wurzeln aber auch in dem Charakter der beiden Kulturen haben, die durch unterschiedliche Lebenseinstellungen und religiöse Überzeugungen (Protestantismus vs. Katholizismus) beeinflusst wurden.
Zusammenfassung (Malgorzata Schonder: Bewältigungskapazitäten im deutsch-polnischen Kulturvergleich): Kulturvergleichende Copingforschung weist interessante Unterschiede in Bewältigungsstrategien zwischen kollektivistischen und individualistischen Kulturen auf. Bisher gibt es aber keine Studie im deutsch-polnischen Vergleich. Daher wird hier der Frage nachgegangen, ob und inwieweit sich Bewältigungskapazitäten junger Menschen aus einer eher individualistisch geprägten Kultur (wie Deutschland) und aus eher einer kollektivistisch geprägten Kultur (wie Polen) voneinander unterscheiden. Laut den Ergebnissen nehmen deutsche Hochschülerinnen und Hochschüler Stress stärker wahr, als ihre polnischen Kollegen und Kolleginnen. Eine mögliche Ursache dafür könnte im Ausbildungsstress liegen. Mit einem Studienabschuss haben Deutsche bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Dieser Sachverhalt ist mit mehr Wettbewerb und Leistungsdruck verbunden. Auf individuelle Laufbahngestaltung wird großer Wert gelegt. Auf der anderen Seite merken Polen, dass ein Studienabschuss keine Anstellungsgarantie darstellt, manchmal erschwert er sogar die Arbeitssuche. Die Unterschiede könnten ihre Wurzeln aber auch in dem Charakter der beiden Kulturen haben, die durch unterschiedliche Lebenseinstellungen und religiöse Überzeugungen (Protestantismus vs. Katholizismus) beeinflusst wurden.
Schlüsselwörter: Deutsch-polnischer Kulturvergleich, Bewältigungskapazitäten, Ausbildungsstress, religiöse und kulturelle Faktoren

Резюме (Мальгорзата Шондер: Возможности преодоления сложностей в немецко-польском культурном сравнении): Культурно-сравнительное исследование выявляет интересные различия в стратегиях преодоления сложностей между коллективистскими и индивидуалистическими культурами. Но до сих пор нет работ по немецко-польскому сравнению. Поэтому здесь рассматривается вопрос, отличаются ли друг от друга возможности преодоления сложностей молодыми людьми из скорее индивидуалистической культуры (Германия) и скорее коллективистской культуры (Польша). Согласно результатам немецкие преподаватели высших учебных заведений чувствуют напряжение сильнее, чем их польские коллеги. Возможная причина этого может лежать в напряжении, связанном с обучением. С завершением обучения немцы имеют лучшие шансы на рынке труда. Это обстоятельство связано с большей конкуренцией и оказываемым при этом психологическим давлением. Личной карьере придается большое значение. Со своей стороны, поляки замечают, что завершение обучения не представляет собой гарантию трудоустройства, иногда даже затрудняет поиск работы. Различия могут иметь свои корни и в характере обеих культур, которые находятся под влиянием жизненных позиций и религиозных убеждений (протестантизм против католицизма).
Ключевые слова: Немецко-польское сравнение культур, возможности преодоления сложностей, напряжение, связанное с обучением, религиозные и культурные факторы


Kulturvergleichende Copingforschung. Was ist das?

In den letzten Jahren ist der Zusammenhang zwischen Coping und Kultur in den Fokus gerückt. Die kulturvergleichende Copingforschung untersucht, welche Ursachen, Ausprägungsstärken und Auswirkungen das Stresserleben hat und ob diese Aspekte kulturspezifisch oder eher universal zu verstehen sind.

Die Copingforschung lässt sich in die folgenden theoretischen Felder grob unterteilen — den Absolutismus, den Relativismus und den Universalismus. Die absolutistische Sicht geht davon aus, dass der Umgang mit Stress nur marginal kulturübergreifend ist. Dagegen sind die Vertreter des Relativismus davon überzeugt, dass jede Kultur ihre eigenen spezifischen Bewältigungsmuster ausbildet. Aus den beiden Perspektiven ist ein Kulturvergleich eher sinnlos. Im Absolutismus werden eventuelle Unterschiede im Coping nicht als kulturbezogen interpretiert. Im Relativismus werden die Einflüsse nur innerhalb der jeweiligen Kultur analysiert. Zwischen diesen beiden Extremen bewegt sich der Universalismus, laut welchem alle Menschen ähnliche Reaktionsmuster in der Begegnung mit Stress zeigen, wobei Nutzungshäufigkeit oder Qualität kulturspezifisch sind. Aus dieser Sicht ist ein Kulturvergleich sehr erwünscht (Ringeisen, 2013).

Kultur lässt sich als „ein Orientierungssystem“ definieren, das „das Fühlen, Denken, Handeln und Bewerten bestimmt. Es gilt für eine Gruppe von Menschen und definiert, was richtig und falsch, gut und böse, hässlich und schön, normal und unnormal erscheint …“ (Thomas, 1993, S. 380–381). Aus universalistischer Sicht ist dieses Orientierungssystem in verschiedenen Gesellschaften aus denselben Normen und Werten gebaut, die Prioritätensetzung aber variiert (Ringeisen, 2013).

In der kulturvergleichenden Copingforschung werden drei Ebenen berücksichtigt. Auf der Länderebene erfolgt diese Analyse zwischen zwei oder mehreren Stichproben aus verschiedenen Ländern (O’Connor & Shimizu, 2002). Auf der Gruppenebene werden unterschiedliche ethnische Gruppen innerhalb eines Landes miteinander kontrastiert, zum Beispiel Lateinamerikaner vs. US-Amerikaner (Connor-Smith et al., 2004). Zu guter Letzt werden noch kulturspezifische Bewältigungsmuster innerhalb einer Gruppe untersucht, zum Beispiel bei Türken in Deutschland (Brzoska & Razum, 2009).

Zur Charakteristik und Klassifizierung von Kulturen und zur Interpretation kulturbezogener Befunde wird in der kulturvergleichenden Forschung des Organisationsanthropologen Geert Hofstede häufig das Konzept Individualismus-Kollektivismus angewendet. Diese Kulturdimension betrifft die Prioritätensetzung auf das Individuum oder auf die Gruppe innerhalb der Gesellschaft. In den kollektivistischen Gesellschaften liegt der Fokus auf dem „Wir“ – Gruppenbindung und Harmonie sind wichtiger als Aufgaben. Dagegen liegt ein großer Wert auf dem „Ich“ in individualistischen Gesellschaften – Aufgabenerfüllung und Wettbewerb werden hervorgehoben. Studien, die sich mit den Bewältigungsmustern in verschiedenen Ländern auseinandersetzen, basieren oft auf dieser Aufteilung.

Coping auf der Länderebene. Aktueller Forschungsstand

Es gibt eine Reihe von Studien, die differenzierte Ausprägungsmuster im Bewältigungsrepertoire auf der Länderebene erforschen. Eine Gruppe von Forschern untersuchte amerikanische und ägyptische Krebspatienten in Bezug auf ihre Einstellung zu dieser Krankheit. Die Patienten berichteten auch von ihren nicht erfüllten Bedürfnissen während der Behandlung. Schon bei der Haltung zur Krankheit wurden von den Befragten unterschiedliche Kategorien aufgezählt. Die Ägypter (kollektivistische Kultur) zeigten mehr Stoizismus/Fatalismus, Übereinstimmung mit dem medizinischen Regime oder Ohnmacht. Stattdessen tendierten die Amerikaner (individualistische Kultur) in ihrer Haltung zu Kampfgeist/Adaptation, Zweifel/Angst oder Hoffnung. In der Kategorie von Bedürfnissen, die während des Heilungsprozesses nicht zufriedengestellt wurden, haben die Ägypter zum Beispiel Befreiung von den physischen Symptomen oder von der Abhängigkeit genannt. Die Amerikaner konzentrierten sich mehr auf den Informationsmangel bei der Behandlung (Ali et al., 1993). Eine andere Gruppe von Forschern hat chinesische Studierende aus Hongkong (kollektivistische Kultur) mit französischen und englischen Studierenden aus Kanada (individualistische Kultur) in Bezug auf ihre Bewältigungsstrategien, ihre Gesundheit und ihre Zufriedenheit mit Bewältigungsfähigkeiten verglichen. Im Umgang mit Stress reagierten die Chinesen weniger mit positivem Denken und Spannungsreduzierung als die Franzosen und die Engländer. Darüber hinaus verfügte die Gruppe der Chinesen über einen schlechteren Gesundheitszustand und eine geringere Zufriedenheit mit ihren Bewältigungsfähigkeiten im Vergleich zu den Studierenden aus Kanada (Chataway & Berry, 1989). Auch O’Connor und Shimizu (2002) stellten bei der Untersuchung von japanischen (kollektivistische Kultur) und britischen (individualistische Kultur) Stichproben relevante Differenzen im persönlichen Kontrollgefühl, den Bewältigungsstrategien und der Stresswahrnehmung fest. In der Begegnung mit Stress wählten die Japaner eher emotionsorientierte Bewältigungsstrategien, wie Flucht- und Vermeidungsverhalten, als die Briten. Sie zeigten auch eine stärkere Stresswahrnehmung und ein niedrigeres persönliches Kontrollgefühl als die Briten. Eine andere Studie stellte fest, dass Asiaten und Amerikaner asiatischer Abstammung im Umgang mit Stress weniger an sozialer Unterstützung bedürfen als Amerikaner europäischer Abstammung (Taylor et al., 2004). Zu guter Letzt untersuchten Frydenberg und ihre Co-Forscher, wie skandinavische, kolumbianische und australische Jugendliche mit brennenden soziopolitischen Situationen umgehen. Die skandinavischen Befragten neigten eher zu Avoidance und Seeking Social Support von Freunden. Die Kolumbianer hingegen tendierten mehr zu problemorientierten Bewältigungsstrategien und professioneller Hilfe (Frydenberg et al., 2001).

Abgesehen davon, ob eine Kultur eher kollektivistische oder eher individualistische Merkmale trägt, zeigen sich in den Bewältigungsstrategien in zahlreichen Stichproben kulturbezogene Unterschiede. Im Vergleich zu den empirischen Arbeiten wird die Zahl der Studien immer größer, die explizit national-spezifische Differenzen in den Bewältigungskapazitäten untersuchen.

Bewältigungskapazitäten verschiedener Nationen. Aktueller Forschungsstand

Unter „Bewältigungskapazitäten“ werden in der Fachliteratur die Stresswahrnehmung und die Selbstwirksamkeit verstanden. Die Studien, die sich auf die Stresswahrnehmung verschiedener Nationen konzentrieren, sind sehr spezifisch. Sie analysieren bestimmte Stresswahrnehmungen bei einzelnen Personengruppen.

Daniels (2004) zum Beispiel untersuchte Arbeiter und Selbstständige aus fünfzehn Ländern Europas auf Stresswahrnehmung im Beruf. Hier wurden wesentliche national-spezifische Unterschiede festgestellt. Österreicher, Iren und Briten glaubten am wenigsten daran, dass Arbeit Stresssymptome verursachen kann, dagegen waren Griechen, Italiener und Franzosen davon überzeugt. Das Ergebnis deutet auf eine kulturbezogene Stresswahrnehmung im Berufsleben hin. Eine andere Studie analysierte Stress als einen Bestandteil der negativen Erfahrungen von Personen unterschiedlicher Nationalzugehörigkeit. Es wurden signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Nationen gefunden (OECD Studie, 2011). Außerdem fanden Braun-Lewensohn und Sagay (2011) Differenzen in der Frustrationstoleranz zwischen jüdischen und arabischen Jugendlichen.

Im Hinblick auf die Selbstwirksamkeit als Konstrukt ist dieses nach Bandura (1977) universal, darüber hinaus sollte es keine bedeutsamen national-spezifischen Unterschiede geben. Diese Annahme wurde durch die Forschung nur teilweise bestätigt. Eine Studie von Scholz u. a. (2002) stellte wesentliche Differenzen in der Selbstwirksamkeit zwischen Costa Ricanern und Japanern fest. Ebenso fanden auch andere Forscher signifikante Unterschiede in der emotional bestimmten Selbstwirksamkeit zwischen Italien, Bolivien und den USA (Caprara et al., 2008).

Demgegenüber steht das Ergebnis von Luszczynska und ihren Co-Forschern, die nur einen geringen Unterschied zwischen Studierenden aus Costa Rica, USA, Türkei, Polen und Deutschland nachgewiesen haben (Luszczynska et al., 2005). Es ist also nicht klar, ob national-spezifische Unterschiede in der allgemeinen Selbstwirksamkeit existieren.

Problemstellung der vorliegenden Untersuchung

Erstens gibt es nur wenig empirische Arbeiten, die landesspezifische Unterschiede in der Stresswahrnehmung analysieren. Obwohl diese sehr spezifisch sind, tendieren sie zu der Aussage, dass sich die Länder bei der Wahrnehmung von unterschiedlichen Stressfaktoren unterscheiden. Andere Wissenschaftler, die verschiedene Copingstile auf der Länderebene erforschen, deuten auf kulturbezogene Differenzen.

Zweitens weisen viele Studien, die auf Hofstedes Kulturmodell basieren, auf wesentliche Unterschiede zwischen individualistischen und kollektivistischen Kulturen im Umgang mit Stress hin. Genau in Bezug auf diese Klassifizierung wäre ein deutsch-polnischer Vergleich interessant. Nach Hofstedes Kulturmodell ist der Unterschied zwischen Deutschland und Polen zwar bezüglich Individualismus/Kollektivismus relativ klein. Die Differenzen zeigen sich aber in Machtdistanz, Vermeidung von Unsicherheiten und langfristiger Orientierung (Hofstede G. & Hofstede G.J., 2011; Blusz, 2008; Hummel, 2011). Der GLOBE-Studie zufolge, die kulturvergleichende Managementforschung durchführt, sind sowohl institutioneller Kollektivismus als auch gruppen- bzw. familienbasierter Kollektivismus in Polen stärker als in Deutschland (GLOBE-Studie, 2004). Außerdem wurde die polnische Gesellschaft laut dem Wirtschaftssoziologen Janusz Hryniewicz von zwei Faktoren geprägt: Katholizismus und Sozialismus, die beide stark zum kollektivistischen Kulturcharakter Polens beitragen (Hryniewicz, 2004).

Drittens sind trotz zunehmender Erhebungen im kulturellen Kontext bis jetzt nur zwei Reporte entstanden, die die jungen Menschen aus beiden Kulturen miteinander vergleichen – „Deutsch-polnischer Jugendreport“ von Wolfgang Melzer u. a. (1991) und „Expectations and life orientations of Polish and German teenagers in the situation of uncertainty and unpredictability“ von Bozena Majerek (2012). Der erstgenannte Report, der bisher einzige umfassende ist, entstand vor sechsundzwanzig Jahren — zwei Jahre nach dem Ende des Sozialismus in Polen. Daher entspricht dieser Bericht nicht der aktuellen Situation der Jugend in beiden Ländern. Der zweite Report ist eine Analyse, welche die CEBOS-Daten aus dem Jahr 2009 und die Schell-Studie aus dem Jahr 2010 zusammenfasst. Es ist also keine Untersuchung, die eine Stichprobe mit derselben Methode (Skala oder Umfrage) erforscht.

Um mehr zu diesem Thema beizutragen und diese Forschungslücke zu schließen, wird hier die folgende Annahme untersucht:

1. Es gibt signifikante Unterschiede in der Stresswahrnehmung zwischen deutschen und polnischen Studierenden.

Ferner gibt es wenig empirische Befunde aus der Erforschung von Selbstwirksamkeit bei unterschiedlichen Nationalitäten. Zudem sind die vorhandenen Ergebnisse unstimmig. Aufgrund dessen wird hier die nächste Annahme formuliert:

2. Es gibt wesentliche Differenzen in der Selbstwirksamkeit von deutschen und polnischen HochschülerInnen.

Die beiden Hypothesen werden mit dem t-Test für unabhängige Stichproben untersucht. Sie gelten als bestätigt, wenn ihre Signifikanzniveaus kleiner als 0,5 sind (p<0,5). Zusätzlich wird hier auch auf die Standardabweichungen geschaut, um die praktische Relevanz von statistisch signifikanten Ergebnissen zu verdeutlichen.

Methodisches Vorgehen

Bei jedem Testinstrument ist die Messgenauigkeit wichtig, welche mit dem Cronbachs-Alpha-Koeffizienten „ά“ geschätzt wird. Die Reliabilität kann Werte zwischen 0 bis keine Messgenauigkeit und 1 bis höchste Messgenauigkeit annehmen, wobei Werte zwischen 0,80 und 0,90 als ausreichende Reliabilität bezeichnet werden. Werte >0,90 werden als gute Reliabilität eingestuft (Hussy et al., 2010, S. 83; Lexikon der Psychologie). Um die aufgestellten Hypothesen zu überprüfen, werden die folgenden Skalen benutzt.

Die Perceived Stress Scale (PSS) von Cohen und Williamson dient der Abbildung der subjektiv wahrgenommenen Stressbeanspruchung im Alltag. Das psychologische Instrument wurde ursprünglich zur Stressmessung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit einem Bildungsniveau ab weiterführender Schule und höher entwickelt. Die Messung erfolgt über die sogenannten 10 Items, die auf einer fünfstufigen Skala von „0=nie“ bis „4=sehr häufig“ bewertet werden. Die Fragen lauten zum Beispiel: „Wie oft haben Sie sich im letzten Monat darüber aufgeregt, dass etwas völlig Unerwartetes eingetreten ist?“ oder „Wie oft hatten Sie im letzten Monat das Gefühl, dass Sie nicht in der Lage waren, die wichtigen Dinge in Ihrem Leben zu kontrollieren?“ Sie schätzen ein, inwieweit die Lebenssituation einer Person als unvorhersehbar und unkontrollierbar wahrgenommen werden kann. Der Gesamtwert kann zwischen 0 und 40 variieren. Nach Angaben der Autoren ist der Wert 13 als mittleres Stressniveau und der Wert 20 als hohes Stressniveau zu bewerten. Ihre Reliabilität betrug ά=0,85 (Cohen & Williamson, 1988). Die Skala wurde bei studentischen Probanden angewendet (Louie-Griffith, 2009; Matheny et al., 2008; Gardiner, 2006). In dieser Untersuchung wurden zwei Adaptationen angewendet: die deutsche von Büssing (2011) und die polnische von Juczynski und Oginska-Bulik (2009). Die Variablen der PSS-Skala waren hier normal verteilt (Gauß-Glocke).

Zur empirischen Erfassung der Selbstwirksamkeit wurde die Skala zur Allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) von Jerusalem und Schwarzer angewendet (polnische Übersetzung von Juczynski, 1998). Sie misst die optimistische Kompetenzerwartung, also inwieweit eine Person darauf vertraut, eine schwierige Situation zu meistern. Das Messinstrument wurde auf Grundlage des Selbstwirksamkeitskonzepts von Bandura entwickelt und kann sowohl bei Erwachsenen als auch bei Jugendlichen eingesetzt werden. Der Fragebogen umfasst 10 Items, die auf einer vierstufigen Skala von „1=stimmt nicht“ bis „4=stimmt genau“ bewertet werden. Hierzu gehören die Aussagen: „Wenn sich Widerstände auftun, finde ich Mittel und Wege, mich durchzusetzen.“ oder „Die Lösung schwieriger Probleme gelingt mir immer, wenn ich mich darum bemühe.“ Die Gesamtsumme kann zwischen 10 und 40 liegen. Die Skala ist zuverlässig mit ά=0,75 (Schwarzer et al., 1999). Die Variablen der SWE-Skala waren in diesem Forschungsvorhaben normal verteilt (Gauß-Glocke).

Die vorliegende Studie wurde mithilfe der Internetplattform Unipark durchgeführt. Die Anfrage über eine anonyme Teilnahme an diesem Forschungsvorhaben wurde in einer E-Mail zusammen mit dem Link zu den Fragebögen an deutsche und polnische Studentenverbände und Universitäten geschickt. Die Untersuchung wurde zwischen dem 6. Juni und dem 6. August 2011 durchgeführt. Die Ausschlusskriterien waren: fehlende Antworten und Teilnehmer älter als 30. Die Stichprobe umfasste insgesamt 2.266 Studenten aus Deutschland (72%) und Polen (28%). Das Alter der Befragten lag zwischen 19 und 30 Jahren, woraus sich ein Durchschnittsalter von 23,4 ergab. Die Stichprobe enthielt 26% Männer und 74% Frauen.

Ergebnisse

Die erste Hypothese dieser Untersuchung lautet, dass es Unterschiede in der Stresswahrnehmung zwischen deutschen und polnischen Studierenden gibt. In der Gruppe von deutschen Hochschülern und Hochschülerinnen war der wahrgenommene Stress höher (M=19,11; SD=6,89) als bei Ihren polnischen Kollegen und Kolleginnen (M=17,39; SD=7,24). Das Ergebnis könnte als signifikant eingestuft werden: t(2.264)=-5,274, p<0,001. Damit ist die erste Annahme bestätigt (Diagramm 1).

Diagramm 1

Diagramm 1

Weiterhin wurde vermutet, dass sich auch bei der Selbstwirksamkeit bedeutsame Differenzen zwischen den beiden Stichproben entfalten würden. Der t-Test liefert zwar ein signifikantes Ergebnis: t(2.264)=3,360, p=0,001, aber die Differenzen der Mittelwerte und die Standardabweichungen sind eher marginal. Für Deutschland betragen diese: M=29,43; SD=4,48. Für Polen stattdessen: M=30,13; SD=4,75. Es wird somit angenommen, dass die Unterschiede nicht bedeutsam sind. Aus diesem Grund konnte die zweite Hypothese nicht mit „ja“ beantwortet werden (Diagramm 2).

Diagramm 2

Diagramm 2

Diskussion

Als Erstes wurde behauptet, dass sich die deutschen und die polnischen Hochschüler und Hochschülerinnen in Bezug auf ihre Stresswahrnehmung voneinander unterscheiden. Das Resultat deutet darauf hin, dass das Empfinden von Belastung in unterschiedlichen Lebenssituationen national spezifisch sein kann. Dies untermauern auch die vorherigen Studien, die kulturbezogene Unterschiede in Bewältigungsstrategien oder spezifische Stresswahrnehmungen bei unterschiedlichen Nationalitäten erforschten (Ali et al., 1993; Chataway & Berry, 1989; O’Connor & Shimizu, 2002; Taylor et al., 2004; Frydenberg et al., 2001; OECD Studie, 2011; Braun-Lewensohn & Sagay, 2011). Zusätzlich macht die Untersuchung deutlich, dass deutsche Hochschüler und Hochschülerinnen Stress stärker wahrnehmen als ihre polnischen Kollegen und Kolleginnen. Hier beträgt der Stresswert 19,11 (SD=6,89) für die deutsche Stichprobe. Das Ergebnis stimmt mit der bundesweiten AOK-Online-Befragung zur Belastung von Studierenden (2016) überein, bei der das durchschnittliche Stresslevel 19,84 auf der Perceived Stress Scale erreicht hat. Laut der Erhebung empfinden mehr als die Hälfte der Teilnehmer eine hohe und knapp 40% eine mittlere Belastung. Hingegen ist das Stressniveau nur bei 5% niedrig (AOK-Studie, 2016).

In der vorliegenden Arbeit liegt der Stresswert in Bezug auf die polnische Stichprobe bei 17,39 (SD=7,24) und ist damit um 1,72 Punkte signifikant geringer als bei den Deutschen. Das Ergebnis, deutet daraufhin, dass polnische Studierende generell weniger gestresst sind, was mit einer Studie von Strózik (2009) übereinstimmt. Laut seiner Untersuchung behaupten knapp 40% der Befragten, dass sie nur manchmal Stress erleben, nur ein Drittel ist anderer Meinung. Ferner zeigt ein deutsch-polnischer Kulturvergleich von Majerek (2012), dass über 70% der jungen Deutschen während ihrer Ausbildung sehr gestresst sind. Dagegen sind über die Hälfte der polnischen Befragten mit der Qualität der Schulausbildung und mit dem Ambiente der Schule sehr zufrieden.

Empirische Befunde, die die Lebensqualität von jungen Menschen untersuchen, berücksichtigen verschiedene Lebensaspekte, die das Erwachsensein mit sich bringt. Hierzu gehören Themen wie Ausbildungsstress, Einstieg ins Berufsleben, Familienkonflikte und soziale Kontakte mit Altersgenossen. Sie versuchen auch, durch das Abwägen unterschiedlicher soziokultureller Faktoren und Bewältigungsstile eine Erklärung für die subjektive Stresswahrnehmung zu finden.

Ausbildungsstress hänge unter anderem mit den sozioökonomischen Faktoren des jeweiligen Landes zusammen. Diese beeinflussten wiederum die sogenannten Ausbildungsaspirationen der Jugend. Laut Schell-Studie (2010, S. 200) würden deutsche Jugendliche im Alter von 12 bis 25 als „pragmatische Generation“ bezeichnet, deren Handlungsorientierung durch Ehrgeiz und Ausdauer gekennzeichnet sei. In Deutschland werde auf individuelle Laufbahngestaltung großer Wert gelegt. Mit einem Studienabschluss hätten deutsche Hochschulabsolventen und Hochschulabsolventinnen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Dieser Sachverhalt sei aber auch mit mehr Wettbewerb und Leistungsdruck verbunden (Schell-Studie, 2010, 2015). Die Arbeitslosenquote für junge Deutsche mit Studienabschluss betrug nur 2,6% im Jahr 2016 (Bundesagentur für Arbeit, 2017, S. 5). Berufsaspirationen und Ansprüche an die Arbeitgeber seien hingegen bei den jungen Deutschen sehr hoch. Sie wollten nicht nur interessante Berufe ausüben, sondern auch Arbeit und Familie vereinbaren können. Dabei ist ein sicherer Arbeitsplatz sehr wichtig. Trotzdem zeigten sich über 70% der Hochschulabsolventen und Hochschulabsolventinnen optimistisch in Bezug auf ihre berufliche Zukunft. Sie sind auch bereit, sich für ihre gute Zukunft anzustrengen (Schell-Studie, 2010, S. 113). Zusätzlich weisen die Autoren darauf hin, dass die Leistungsorientierung seit 2002 schon bei den fünfzehn- bis siebzehnjährigen Schülern und Schülerinnen zugenommen habe. Ein indirekter Indikator dafür sei steigende Nachfrage nach Nachhilfe. Dies zeigt, dass die Bedeutung schulischer Leistungen wächst (Schell-Studie, 2010, S. 80, S. 196).

Ausbildungsstress ist für junge Deutsche kein neues Phänomen. Schon in den 90er-Jahren waren Westdeutsche (57%) gestresster in Bezug auf Schule und Arbeit als Ostdeutsche (38%) und Polen (47%). Dennoch stellte sich bei der Zufriedenheit mit den schulischen Leistungen die Abstufung komplett anders dar. Hier waren Polen (37%) und Ostdeutsche (45%) weniger zufrieden als Westdeutsche (65%). Dieser Sachverhalt wurde von Melzer und Co-Autoren (1991, S. 58–62) durch die relativ geringe Bedeutung von Schul- und Hochschulabschluss für die späteren Verdienst- und Karrieremöglichkeiten erklärt. Auch die starren Lernstrukturen, die keinen Spielraum für jugendgerechtes Verhalten gaben, hätten zu dieser Unzufriedenheit beigetragen. Aus diesem Grund sei der Leistungsdruck bei den Polen und Ostdeutschen niedriger gewesen und eine Zukunftsplanung im Hinblick auf den Schulbesuch erschien überflüssiger als bei den Westdeutschen. Dies hätte sich im Zukunftspessimismus, der damals bei den polnischen Befragten am stärksten ausfiel, widergespiegelt (Melzer et al., 1991). Heutzutage sind viele junge Polen, über 60%, optimistisch in Bezug auf ihre berufliche Zukunft (Majerak, 2012, S. 59).

Trotzdem merkten junge Polen, dass ein Studienabschluss keine Anstellungsgarantie darstelle, manchmal erschwere er sogar die Arbeitssuche (Majerak, 2012). Laut einer Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) sei der polnische Arbeitsmarkt unflexibel und biete wenig Weiterbildungsmöglichkeiten. Vor allem das veraltete Kündigungsschutzrecht sei eine Ursache für befristete Verträge mit eingeschränkten Arbeitnehmerrechten („Müllverträge“), die den polnischen Arbeitsmarkt überfluteten. In Deutschland haben Arbeitnehmer mit befristeten Verträgen relativ gute Chancen auf einen unbefristeten Job und auf Weiterbildung. Der deutsche Arbeitsmarkt sei robust und dynamisch (RWI, 2016). Hier werde auch mehr darauf geachtet, welche Berufe den Arbeitsmarktanforderungen besser entsprechen. Der Zusammenhang zwischen der Lebenslage und der Ausbildung sei in Polen deutlich weniger ausgeprägt als in Deutschland. Dadurch seien jedoch auch der soziale Druck und der Leistungsdruck geringer. Der Arbeitsmarkt entspräche nicht dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Infolgedessen war die Arbeitslosenquote von polnischen Hochschulabsolventen und Hochschulabsolventinnen mit 13% im Jahr 2015/2016 relativ hoch (IBE, 2016). Die aktuelle Reform in Polen (2017/2018) solle das polnische Bildungssystem besser an die Arbeitsmarktanforderungen anpassen.

Im Hinblick auf Familienkonflikte und Probleme mit ihren Altersgenossen seien sich junge Polen und Deutsche ähnlich. Ein Fünftel der polnischen jungen Menschen nennt Familienkonflikte und Probleme mit ihren Altersgenossen als wichtigen Stressbestandteil. Interessanterweise sei dies problematischer für Studierende aus einem städtischen Umfeld als für Studierende ländlicher Herkunft. Besonders in Großstädten führe das zu vielen Problemen: Entfremdung von und Zeitmangel hinsichtlich der Familie (Strózik, 2009). In Bezug auf den interpersonalen Stress würden junge Deutsche Pflege von sozialen Kontakten, ständige Erreichbarkeit durch die Neuen Medien, Verpflichtung gegenüber Eltern/Familie/Freunde als relevante Stressfaktoren nennen (AOK-Studie, 2016). Trotz einiger Herausforderungen könnten sich junge Deutsche mit ihren Eltern gut verständigen (56%). Ein Drittel der Befragten bezeichne ihre Beziehung zu den Eltern als „sehr gut“. Eine ähnliche Tendenz zeige sich auch bei jungen Polen. Hier schätzten über 80% der Teilnehmer die Beziehung zur Mutter und knapp 70% zum Vater als „sehr gut“ oder „ziemlich gut“ ein (Majerak, 2012).

In Bezug auf die Stressbewältigung lassen sich erst einmal keine gravierenden Unterschiede zwischen deutschen und polnischen Hochschülern und Hochschülerinnen darstellen. In der Begegnung mit schwierigen Lebensereignissen reagierten die Polen hauptsächlich mit Mobilisierung und Handeln; Unruhe und Aggression; Hilfesuche bei anderen Menschen und die Deutschen mit Priorisierung der Aufgaben; Rückhalt bei Familie und Freunden; Belohnung für die Zeit danach. Trotzdem seien die deutschen Studierenden eher aufgabenorientiert in den eingesetzten Stressbewältigungsmaßnahmen wie zum Beispiel To-Do-Listen schreiben, ihre eigenen Bedürfnisse reduzieren, an die frische Luft gehen und Sport treiben. Stattdessen neigten die Polen eher zu emotionalen Reaktionen wie zum Beispiel Traurigkeit, Distanzierung und emotionalem Rückzug (AOK-Umfrage 2016, S. 42; Strózik 2009, S. 220).

Janusz Hryniewicz befasste sich (2004) in seinem Buch „Wirtschaftsentwicklung im politischen und kulturellen Kontext“ mit Unterschieden in der Lebensbejahung zwischen protestantischen und katholischen Kulturen an. Er weist anhand empirischer Befunde auf gravierende Differenzen in der Einstellung zur Arbeit und zu Arbeitskollegen und Arbeitskolleginnen zwischen Deutschland und Polen hin. Harmonie im Team werde in polnischen Unternehmen eher geschätzt als Fachwissen und Erfolg. Bei der Bewertung von Arbeitsergebnissen gehe es mehr um die gesamte Teamarbeit als um den einzelnen Input. Polnische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen seien auch effektiver, wenn sie andere persönlich gut kennen und akzeptieren, was sich wiederum im hohen institutionellen und gruppenbezogenen Kollektivismus der GLOBE-Studie widerspiegele (Hryniewicz 2004, S. 258–259). Interessanterweise stelle sich die Prioritätensetzung bei den deutschen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen komplett anders dar. Fachwissen und individueller Erfolg seien relevanter als gute Chemie zwischen den Teammitgliedern. Daher solle auch persönliche Leistung bei der Bewertung von Arbeitsergebnissen mehr geachtet werden als Teamarbeit. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sollten sich gegenseitig respektieren. Freundschaft und Akzeptanz seien dabei keine Voraussetzung (Hryniewicz 2004, S. 258–259).

Die Ursache dafür sieht der Autor in einer unterschiedlichen Sakralisierung von Verhaltensweisen und Institutionen durch protestantische und katholische Sichtweisen. Im Protestantismus wären dies Individualismus und selbstständige Analyse der Bibel gewesen, um den Gottesplan zu entschlüsseln. Es sei großer Wert auf harte Arbeit gelegt worden, da diese eine größere Chance auf das Heil geben könne (Prädestination). Stattdessen hätte im Katholizismus der Fokus auf Bruderschaft, Egalitarismus, einheitliche Interpretation der Bibel, Toleranz für Sünden (Beichte) und Kircheneinfluss gelegen. Auch heutzutage differenzierten sich die beiden Kulturen in Bezug auf die Bedürfnishierarchie von Maslow und Leistungsmotivation von McClelland. In protestantisch geprägten Gesellschaften neigten Menschen zu Materialismus, Autonomie, Erfindungswesen. Hier seien die staatlichen Institutionen besser darauf trainiert, eine gute Wirtschaftsentwicklung und einen hohen Lebensstandard zu sichern. Auf der anderen Seite könne sich das Self-Made-Man-Ethos in hohen psychischen Kosten der Gesellschaft widerspiegeln. Dagegen seien in katholischen Kulturen Sicherheitsbedürfnisse durch Zugehörigkeitsgefühle wichtiger als Selbstverwirklichung. Das zeige sich wiederum in einem niedrigeren Lebensstandard, der durch schlechtere Wirtschaftsentwicklung verursacht werde. Hier sei das Leben weniger effektiv, aber auch der Leistungsdruck niedriger (Hryniewicz 2004, S. 134–16).

Letztlich wurde in der vorliegenden Untersuchung der Annahme zu Differenzen in der Selbstwirksamkeit zwischen polnischen und deutschen Studierenden nachgegangen. Laut dem Ergebnis sind diese Unterschiede eher marginal, was mit der Studie von Luszczynska u. a. (2005) übereinstimmt. Dies untermauert zudem die Aussage von Bandura über den universalen Charakter dieses Konstruktes, dass es keine signifikanten Differenzen in der allgemeinen Selbstwirksamkeit zwischen unterschiedlichen Ländern gebe (Bandura, 1997).

In der kulturvergleichenden Copingforschung gibt es eine Vielzahl von empirischen Arbeiten, die national-spezifische Unterschiede in den Bewältigungsstrategien zwischen kollektivistischen und individualistischen Kulturen belegen. Die Forschungsbeiträge, die sich explizit mit Bewältigungskapazitäten beschäftigten, sind nicht mehr so zahlreich. Deshalb hatte diese Studie das Ziel, kulturbezogene Differenzen der Bewältigungskapazitäten von deutschen und polnischen Studierenden zu untersuchen.

Summa summarum lässt sich anhand der Ergebnisse feststellen, dass die Stresswahrnehmung kulturbezogene Differenzen gezeigt hat. In einer kollektivistisch geprägten Gesellschaft wie der polnischen war diese niedriger als bei den Deutschen, deren Kultur viele individualistische Merkmale trägt. Die Ursache dafür könnte in Ausbildungsstress oder/und in den Bewältigungsstrategien liegen. Sie könnte ihre Wurzeln aber auch in dem Charakter der beiden Kulturen haben, die durch unterschiedliche Lebenseinstellungen und religiöse Überzeugungen beeinflusst wurden. Interessanterweise spiegeln sich diese Differenzen nicht in der Selbstwirksamkeit, die Handlungs-Ergebnis-Erwartung misst.

Einschränkung dieser Untersuchung

Die Stressbewältigungsforschung weist gravierende Unterschiede in Bezug auf Geschlecht und soziale Schichten auf. Dies wurde in der vorliegenden Arbeit jedoch nicht berücksichtigt. Zusätzlich waren Männer in dieser Stichprobe deutlich unterrepräsentiert. Ein kritischer Aspekt ist auch der Unterschied in der Populationsgröße von Deutschen (72%) und Polen (28%), der diese Ergebnisse beeinflusst haben könnte. Eine weitere Einschränkung bezieht sich auf den Migrationshintergrund von untersuchten Studierenden, der bei dieser Arbeit nicht thematisiert wurde. Trotz allem konnten durch die Fragestellungen dieser Untersuchung neue Erkenntnisse im Hinblick auf national-spezifische Differenzen in den Stressbewältigungskapazitäten von HochschülerInnen festgestellt werden.

Literatur

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Über die Autorin

Dr. phil. Malgorzata Schonder: Promotion an der Fakultät für Geistes- und Erziehungswissenschaften der Universität Braunschweig (Deutschland), Staatsbürgerin Deutschland und Polen. Kontakt: margareta.schonder@gmail.com

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