Book Review / Рецензия книги / Buchbesprechung: David Käbisch / Michael Wermke (2017) (Hrsg.): Transnationale Grenzgänge und Kulturkontakte. Historische Fallbeispiele in religionspädagogischer Perspektive

By Sebastian Engelmann | December 18, 2017

David Käbisch / Michael Wermke (2017) (Hrsg.): Transnationale Grenzgänge und Kulturkontakte. Historische Fallbeispiele in religionspädagogischer Perspektive. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt. (448 Seiten; ISBN: 978-3-374-04819-9, 44,00 €)

Die Globalisierung macht auch vor den historischen Wissenschaften keinen Halt. In allen Bereichen wird immer deutlicher, dass die Beschränkung auf den „Containerraum“ des Nationalstaats eine unzulässige Simplifikation von Entwicklungsprozessen darstellt. Dementsprechend ist es nur konsequent, dass pädagogische Konzepte auch auf ihre Verflechtung mit dem überprüft werden, was außerhalb des Nationalstaates liegt – dass dies eine potenziell die wissenschaftliche Erkenntnis befördernde Entwicklung ist, belegt nicht zuletzt die hier besprochene Publikation, die sich dem Forschungszweig der transnationalen Religions- und Bildungsforschung widmet.

Das von David Käbisch und Michael Wermke herausgegebene Buch fasst die Ergebnisse der Jahrestagungen des „Arbeitskreises für historische Religionspädagogik“ aus den Jahren 2014, 2015 und 2016 zusammen. Hierbei versammelt der Band Beiträge aus der Religionspädagogik, aber auch der Soziologie und den Erziehungs- und Geschichtswissenschaften. Erschienen ist der Band in der Reihe „Studien zur Religiösen Bildung”, welche den Charakter der Religionspädagogik als Verbunddisziplin betont und dementsprechend interdisziplinär angelegt ist.

Der mit 448 Seiten umfangreiche Sammelband verfügt erfreulicherweise über ein Personen-, Orts- und Sachregister, was die Arbeit mit ihm handhabbar gestaltet. Der Band selbst wurde von den Herausgebern in fünf verschiedene Abteilungen aufgegliedert. Auf den rahmenden Text von Käbisch folgt die erste Abteilung mit dem Titel „Mission und Bildungstransfer“. Diese enthält drei Beiträge zum Thema des Bildungstransfers durch Missionspraxis. Der Beitrag von Hein Retter sticht aufgrund seiner Länge und eines Verweises auf die isomorphe Struktur wissenschaftlicher Beiträge hervor (S. 69), der indirekt zum Ausdruck bringt, dass sich das noch junge Forschungsfeld der transnationalen Religions- und Bildungsforschung und damit der interkulturellen Theologie noch nicht vollends gefunden hat.

Der zweite Teil versammelt unter dem Titel „Transatlantische Konstellationen“ – ohne direkten Bezug auf den theoretisch aufgeladenen Begriff der Konstellation – sowohl luzide Einzelfallstudien zum Leben des Augustinus von Gallitzin und dem Einfluss der Texte Schleiermachers in den USA als auch einen methodologischen Artikel zur prinzipiellen Möglichkeit einer komparativen Religionspädagogik in den USA. Gerade der letztgenannte Beitrag macht die Probleme und Potenziale einer vergleichenden Religionspädagogik im post-nationalen Raum deutlich.

Der dritte thematische Block legt den Fokus auf „Transnationale Aspekte in Lokal- und Regionalstudien“. Hierzu versammelt er historische Einzelfallstudien, welche den Aspekt der Transnationalität berücksichtigen. Die Studien führen in unterschiedlichem Maße vor Augen, wie sehr nationale Phänomene durch ihren Kontext beeinflusst sind. Neben diesen Studien bietet der Band im vierten Teil auch „Personen- und Werkbezogene Zugänge“ an – unter anderem auch einen längeren Beitrag zum deutschen Erziehungswissenschaftler Friedrich Schneider.

Den letzten thematischen Teil des Bandes bildet der Abschnitt „Transnationale Diskurse Heute“, der den Blick von der Historie in die jüngere Vergangenheit verlagert.

Den Abschluss des Bandes stellt ein bilanzierender Artikel dar, der wie die einleitende Perspektive von David Käbisch verfasst ist. Käbischs Bilanzierung verdeutlicht, dass der transnationalen Religions- und Bildungsforschung nichts an der Herausarbeitung von differenzierenden und wertenden Unterschieden und Gemeinsamkeiten liegt. Stattdessen gehe es ihr um die Spezifika einzelner kultureller Praktiken. Mit dieser Betonung verdeutlicht Käbisch, dass es einer transnationalen Religions- und Bildungsforschung um die „Frage nach dem Lernen durch Begegnung“ (S. 424) gehe, für die die Beiträge vielfältige Beispiele bieten würden. Somit stehen im Zentrum der Forschungsbemühungen die „vielfältigen Prozesse der Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie der subjektiven Aneignung des Anderen und Fremden.“ (S. 424) Ausgehend von dieser nachträglichen Diagnose ist es möglich, die Bilanz von Käbisch als hermeneutischen Schlüssel zu verstehen.

Das von Käbisch umrissene Forschungsanliegen ist dann zugleich der Maßstab, an dem die Einzelbeiträge zu messen sind. Und vor diesem Maßstab bestehen alle Texte, denn sie gehen mit als „fremd“ markierten Praktiken um, die wiederum in das eigene Begriffsraster übertragen werden. Dass es sich hierbei um einen hochkomplexen Vorgang der Übersetzung handelt, der sehr viel Sensibilität benötigt, um das Andere zu übertragen, und dass diese Übertragung immer ein Moment der Machtausübung beinhaltet, wird in den Beiträgen des Bandes reflektiert. Allerdings hätte dieser Anspruch auch eine noch erweiterte Reflexion der eigenen Positionalität der SprecherInnen befördern können, welche beispielsweise die vergleichende Pädagogik als Subdisziplin auszeichnet.

Trotz dieser Anmerkung bewegen sich für mich alle Beiträge auf hohem wissenschaftlichen Niveau. Entgegen der Annahme, dass aufgrund der Diversität der Beiträge kein roter Faden erkennbar sein könnte, entsteht ein kohärentes Ganzes, dass durch die Betonung der transnationalen Perspektive zusammengehalten wird und nicht beliebig wirkt. Allerdings hätte dem Band eine stärkere Fokussierung in den Einzelbeiträgen auf den Themenschwerpunkt „Transnationale Grenzgänge und Kulturkontakte“ gutgetan. In der Einleitung wird betont, dass es sich teilweise um Beiträge handelt, die „aus abgeschlossenen und laufenden Qualifikationsarbeiten ohne transnationalen Fokus hervorgegangen“ (S. 20) sind. Dies wird immer dann deutlich, wenn die Betonung des thematischen Schwerpunkts des Bandes eher wie ein Zusatz wirkt, als wie ein substanzieller Bestandteil des Einzelbeitrags.

Nichtsdestotrotz handelt es sich bei dem Sammelband „Transnationale Grenzgänge und Kulturkontakte. Historische Fallbeispiele in religionspädagogischer Perspektive“ um eine beeindruckend vielfältige Komposition von Studien, welcher es gelingt, die von Käbisch skizzierten Forschungsfelder und Erkenntnisinteressen der historischen Religionspädagogik beispielhaft zu umreißen.

Auf das so geschaffene Fundament können nun weitere Arbeiten aufbauen, die sich nicht nur mit weiteren Einzelfällen auseinandersetzen, sondern auch das methodische Vorgehen der transnationalen Religions- und Bildungsforschung weiter reflektieren. Es bietet sich aufgrund der inhärenten Interdisziplinarität der Forschungsrichtung beispielsweise eine Auseinandersetzung mit kulturtheoretischen und kulturgeschichtlichen Zugängen an. Diese verspricht – auch unter Berücksichtigung einer verstärkten sozialtheoretischen Reflexion der Begriffe des Netzwerks und des Transfers – einen Beitrag zur Diskussion liefern zu können.

Neben diese Fragen zum theoretischen Grundgerüst sollten aber auch Fragen des methodischen Zugangs treten. Außer den im Band prominent vertretenen, hauptsächlich mit Texten umgehenden Beiträgen, würden sich Studien anbieten, die auf Makroebene Bildungstransfers in den Blick nehmen oder mithilfe der historischen Netzwerkforschung komplexe Visualisierungen zu Transferprozessen anfertigen. Auf Grundlage der Lektüre des Bandes können sich nun aber andere ForscherInnen im Forschungsfeld orientieren und selbst verorten. Der Band selbst ist somit ein wichtiger Beitrag zum Suchprozess der transnationalen Religions- und Bildungsforschung, der hoffentlich noch weiter vorangetrieben wird.

Rezensiert von Sebastian Engelmann, M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Historische Pädagogik und Globale Bildung der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Deutschland). Kontakt: sebastian.engelmann@uni-jena.de

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